Exequatur

VII. Entscheidung des Gerichtes im Vollstreckungsstaat – Exequatur:

Exequatur-EU

1.) Zulässigkeit des Mahnverfahrens: Zuständigkeit der deutschen Gerichte muß gegeben sein (siehe unter VI).

Die Widerspruchsfrist gem. § 32 AVAG von einem Monat nach Zustellung des Mahnbescheides muß eingehalten worden sein und der Gläubiger muß einen deutschen Vollstreckungsbescheid erwirkt haben. Desweiteren müssen folgende Kriterien erfüllt sein, um den deutschen Vollstreckungsbescheid im Ausland als vollstreckbar erklären zu lassen:

2.) Entscheidung:

Art. 32 EuGVVO verlangt eine “Entscheidung”. Gemeint sind hiermit Sachentscheidungen. Darunter sind grundsätzlich alle gerichtlichen Entscheidungen ungeachtet ihrer Bezeichnung zu verstehen. Zu beachten ist, dass die Aufzählung im Gesetzestext nur beispielhaften Charakter hat. Der Mahnbescheid ist eine gerichtliche Sachentscheidung und fällt somit unter diesen Begriff.

3.) Anerkennungsvoraussetzungen:

Gem. Art. 34 EuGVVO dürfen keine Anerkennungshindernisse vorliegen.
Art. 33 Abs. 1 EuGVVO bestimmt, dass die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden, ohne dass es hierfür eines besonderen Verfahrens bedarf. Dies bedeutet, dass Entscheidungen “ipse iure” anerkannt werden.

a.) ordre public
Ein Anerkennungshindernis kann sich gem. Art. 34 Abs. 1 EuGVVO daraus ergeben, dass die Entscheidung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaates, in dem sie geltend gemacht wird, widerspricht.
Die Berufung auf den ordre public bildet ein Korrektiv gegenüber den möglichen Nachteilen der Anwendung fremden Rechts. Dabei will der ordre public grundsätzlich inländischen Wertvorstellungen zum Durchbruch verhelfen.

In Deutschland wird hierbei auf den verfahrens- und materiell-rechtlichen ordre public abgestellt.

b.) Nichteinlassung des Beklagten
Art.34 Abs. 2 bestimmt, dass ein Anerkennungshindernis ebenfalls vorliegt, wenn das verfahreneinleitende Schriftstück dem Beklagten nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt wurde, dass dieser sich verteidigen konnte.

– Das verfahrenseinleitende Schriftstück:

Unter dem verfahrenseinleitenden Schriftstück versteht man jedes Schriftstück, durch welches der Beklagte von der Einleitung des Rechtsstreits in Kenntnis gesetzt wird, damit er seine Rechte im Erkenntnisverfahren geltend machen kann.

– Die rechtzeitige Zustellung:

Es handelt sich hierbei um ein eigenständiges (kumulatives) Element der Zustellung. Anerkennungsvoraussetzungen sind hierbei die ordnungsgemäße und rechtzeitige Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes. Hiermit soll gewährleistet werden, dass der Beklagte genügend Zeit hat, um einen Anwalt zu beauftragen und dadurch eine vollstreckbare Versäumnisentscheidung zu verhindern. Hierbei ist die Rechtzeitigkeit nach dem konkreten Fall und unter Berücksichtigung des Rechtes des Vollstreckungsstaates zu bestimmen.

– Art und Weise der Zustellung:

Die Zustellung muß aber nicht nur rechtzeitig sein, sondern auch ordnungsgemäß sein. Die Ordnungsmäßigkeit des Zustellungsaktes bestimmt sich nach den Vorschriften des Erststaates. Hierbei trägt der Kläger des Ausgangsverfahrens die Beweislast.

4.) Vollstreckbarkeit

“Die in einem Mitgliedsstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, werden in einem anderen Mitgliedsstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind” ( Art. 38 Abs. 1 EuGVVO).
Voraussetzung hierfür sind:

a.) Antrag eines Berechtigten:
Alleine der Gläubiger kann als Berechtigter i.S.d. Art. 38 EuGVVO auftreten und das Verfahren der Art. 38-52 für sich beanspruchen.

b.) Ein Titel:
Es muß ein Titel vorgelegt werden. Es kann sich hierbei um eine Entscheidung (Art.32), eine öffentliche Urkunde (Art.57) oder einen Prozessvergleich (Art. 58) handeln. Wie bereits unter VII 2.) gezeigt, handelt es sich bei einem Mahnbescheid um eine gerichtliche Entscheidung gem. Art. 32 EuGVVO.
Eine Übersetzung ist nur auf Verlangen des Gerichts vorzulegen ist (siehe Art. 55 Abs.2 EuGVVO).

c.) Die Vollstreckbarkeit des Titels nach dem Recht des Mitgliedstaats:
Die Vollstreckbarkeit in formeller Hinsicht muß überprüft werden. Hierbei kommt es allerdings nicht darauf an, unter welchen Voraussetzungen die Entscheidung im Urteilsstaat vollstreckt werden kann. Insoweit müssen die Gerichte des Vollstreckungsstaates anhand ihres Rechtes bestimmen, welche Rechtswirkung das Urteil im Volstreckungsstaat entfaltet.

d.) Die vorherige Zustellung des Titels:
Die vorherige Zustellung ist durch Bescheinigung gem. Art. 54 i.V.m. Anhang V der EUGVVO nachzuweisen.

5.) Entscheidung des Gerichtes im Vollstreckungsstaat:

Wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, so wird die Entscheidung durch das Gericht im Volstreckungsstaat als unverzüglich vollstreckbar erklärt. Art. 41 EuGVVO bestimmt hierfür, dass die in Artikel 53 vorgesehenen Förmlichkeiten erfüllt sein müssen.

6.) Die Förmlichkeiten des Art. 53:

Art. 53 Abs. 1 EuGVVO bestimmt zunächst, dass die beantragende Partei eine Ausfertigung der Entscheidung vorzulegen hat, die die für die Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Hierfür muß die Urkunde den vollen Beweis für die Echtheit und den Inhalt der Entscheidung erbringen. Eine bloße Abschrift oder Kopie genügen nicht. Eine Übersetzung der Bescheinigung kann gem. Art. 55 Abs.2 EuGVVO verlangt werden, dürfte aber in der Regel überflüssig sein, weil die Bescheinigung nach Anhang V der EuGVVO in allen Mitgliedsstaaten gleich aufgebaut ist und denselben Inhalt hat, die Vorlage nach Anhang V also die Übersetzung darstellt. Gem. Art. 54 EuGVVO stellt das Gericht oder die sonst befugte Stelle des Mitgliedstaats, in dem die Entscheidung ergangen ist, auf Antrag die Bescheinigung unter Verwendung des Formblattes in Anhang V. dieser Verordnung aus. Voraussetzung hierfür ist der Antrag des Gläubigers. Die Zuständigkeit für die Ausstellung dieser Bescheinigung in Deutschland ergibt sich aus § 56 AVAG und die dabei entstehende Gebühr errechnet sich gemäß Nr. 1422 KV zum GKG. Unter Punkt Nr. 4.4 der Bescheinigung gem. Anhang V EuGVVO wird der Feststellung der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstückes im Inhalt der Bescheinigung besondere Bedeutung zugemessen. Desweiteren muß die Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Ursprungsland bescheinigt werden. Hierfür genügt auch ein vorläufig vollstreckbares Urteil.

7.) Mitteilung der Entscheidung:

Art. 42 EuGVVO sieht die sofortige Mitteilung an den Antragsteller vor, sobald eine Entscheidung gefallen ist. Die Vollstreckbarkeitserklärung wird dem Schuldner zugestellt.

8.) Rechtsbehelf:

Art. 43 Abs. 1 gibt beiden Parteien die Möglichkeit einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarkeitserklärung einzulegen.

Wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, so wird die Entscheidung durch das Gericht im Vollstreckungsstaat als unverzüglich vollstreckbar erklärt. Art. 41 EuGVVO bestimmt hierfür, dass die in Artikel 53 vorgesehenen Förmlichkeiten erfüllt sein müssen.
©2005 Verfasser: F. Müller, Rechtsanwalt, Abogado, Fachanwalt für Steuerrecht