Solidaritätssteuer Spanien

Solidaritätssteuer SpanienGegenstand vieler Diskussionen und Veröffentlichungen in den vergangenen Jahren war die spanische Vermögensteuer. 1977 eingeführt, wurde sie unmittelbar vor der Wirtschaftskrise von 2008 wieder aufgehoben, um sie kurze Zeit später erneut aufleben zu lassen. Sie wird auf das Nettovermögen natürlicher Personen erhoben, das sich aus dem Wert des Vermögens des Steuerpflichtigen nach Abzug aller Verbindlichkeiten, d.h. Schulden, zum 31. Dezember eines jeden Jahres ergibt. Die Vermögensteuer ist zwar an sich eine staatliche Steuer, wird aber von den 17 Gebietsautonomien verwaltet, welche Steuerbefreiungen gewähren können. Dies hat in den vergangenen Jahren je nach Ansässigkeit des Steuerpflichtigen bzw. Belegenheit des Vermögens zu ganz erheblichen Verschiebungen bei den Steuerbelastungen auf nationaler Ebene geführt. Um dem Wettlauf der Steuervergünstigungen der Gebietsautonomien entgegenzutreten, wurde nun am 27. Dezember letzten Jahres das Gesetz 38/2022 verabschiedet, das mit zeitlich begrenztem Charakter u.a. neben der Vermögensteuer eine Steuer für hohe Einkommen und große Vermögen als „Solidaritätssteuer“ in Spanien (Impuesto de Solidaridad), auch Reichensteuer bezeichnet, einführt.

Die Solidaritätssteuer soll zum einen in der aktuelle Energie- und Inflationskrise helfen und zum anderen Unterschiede und Lücken in der Vermögensteuerabgabe verhindern. Sie zeigt mithin insbesondere Auswirkung auf die in solchen Autonomen Gebietskörperschaften Steuerpflichtigen, welche von einer Reduktion der Vermögensteuer profitiert haben.

Die beiden am stärksten betroffenen Autonomen Gebietskörperschaften sind Madrid und Andalusien, wo eine 100-prozentige Ermäßigung der Vermögensteuer beschlossen worden war.

Solidaritätssteuer in der EU

Derzeit ist Spanien der einzige Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU), der eine Vermögensteuer sowie eine Solidaritätssteuer der eingangs beschriebenen Art, als Substanzsteuer erhebt.
Außerhalb der EU ist diese Art von umfassender Steuer zudem in Norwegen und der Schweiz Teil des jeweiligen Steuersystems.
Eine ähnliche Steuer existiert in den EU-Mitgliedstaaten Italien, Belgien und Frankreich. Der Unterschied zur Vermögensteuer wie sie in Spanien erhoben werden soll, liegt darin, dass dort die Steuer nicht auf das gesamte Nettovermögen erhoben wird, sondern nur für bestimmte Vermögenswerte gilt.
Oftmals werden ähnliche Ziele, welche die oben benannten Länder durch die Erhebung von Vermögensteuern bezwecken, durch die Anwendung anderer Rechtsfiguren auch in weiteren Ländern verfolgt.
In Deutschland erfolgt eine Berücksichtigung im Rahmen der Steuerprogression, d.h., wer mehr als 58.579 Euro verdient, zahlt den Spitzensteuersatz von 42 %, ab 277.826 Euro gilt der sogenannte Reichensteuersatz von 45 %. Im Jahre 1995 entschied das Bundesverfassungsgericht den sogenannten Halbteilungsgrundsatz, nach dem eine Vermögensteuer zu den Ertragsteuern (wie der Steuer auf Einkommen) nur hinzutreten dürfe, wenn dadurch die steuerliche Gesamtbelastung „in der Nähe einer hälftigen Teilung“ zwischen Steuerpflichtigem und Fiskus stehe.
Daneben werden mit dem Solidaritätszuschlag in Deutschland, der wie die neue Solidaritätssteuer in Spanien nur befristeten Charakter haben sollte und nach der deutschen Wiedervereinigung seit 1995 generell bis 2019 Anwendung fand, nach wie vor aber, auch nach 25 Jahren noch, ca. 3,5 Prozent der Steuerpflichtigen mit hohen Einkommen sonderbesteuert, sofern (im Jahre 2022) das zu versteuernde Einkommen über 96.409 Euro für Alleinstehende  beziehungsweise 192.818 Euro bei Verheirateten liegt.

Ende September 2022 legte die spanische Regierungskoalition ein entsprechendes Steuerpaket vor, mit dem die Steuern für hohe Einkommen, große Vermögen und Unternehmen erhöht und die Steuerlast für Steuerzahler mit geringem Einkommen gesenkt werden sollte. Mit diesen Maßnahmen sollen die Steuereinnahmen in den Jahren 2023 und 2024, für die das Paket geschnürt wurde, um mehr als 3 Milliarden Euro steigen. Die in diesem Paket vorgesehenen Änderungen wurden mit Ausnahme der neuen Reichensteuer unmittelbar in den Entwurf des Staatshaushalts („Presupuestos Generales del Estado“- PGE) aufgenommen, da die neue Steuer auf große Vermögen zunächst das parlamentarische Verfahren durchlaufen musste. Die neue Reichensteuer soll zeitlich befristet sein und die Doppelbesteuerung mit der Vermögensteuer vermeiden sowie bei Steuerpflichtigen mit einem Nettovermögen von mehr als 3 Millionen Euro in der Bemessungsgrundlage fällig werden. Bei Beträgen zwischen 3 und 5 Millionen Euro soll der Steuersatz bei 1,7%, zwischen 5 und 10 Millionen bei 2,1% und über 10 Millionen bei 3,5% liegen. Insgesamt gibt es laut dem Ministerium ca. 23.000 potenzielle Steuerzahler der Reichensteuer in Spanien mit erwarteten Einnahmen von 1,5 Milliarden Euro. Diese Maßnahme soll die Freibeträge, welche manche Gebietsautonomien den dort Ansässigen gewähren, aushebeln.

Die genannten Steuersätze sind vergleichbar mit den Regelungen der Vermögensteuer in Norwegen und der Schweiz. In Norwegen wird ein Steuersatz von 0,95% erhoben, wenn das Vermögen den Wert von 190.000 Euro übersteigt. Wird der Betrag von 2,3 Mio. Euro überschritten, erhöht sich der Steuersatz auf 1,1%. In der Schweiz variiert der Steuersatz je nach Regelung in den einzelnen Kantonen und reicht von 1,3 ‰ bis 10,1 ‰. Weil die Besteuerung progressiv erfolgt, sind insbesondere Steuerpflichtige ab einem Vermögen von 1 Million Franken und höher betroffen.

Die Steuern, die in Italien, Belgien und der Schweiz erhoben werden, bewegen sich im folgenden Rahmen: In Italien wird ein Steuersatz von 0,75% auf alle Immobilien im Ausland erhoben, sowie von 0,2% auf ausländische Geldanlagen. Belgien wendet seit 2021 einen Steuersatz von 0,15% auf alle Finanzinstrumente für den Handel an der Börse im Wert von mehr als 1 Mio. Euro an. In Frankreich wird seit 2018 eine Immobilienvermögensteuer auf alle Immobilien erhoben, die den Nettowert von 1,3 Mio. Euro übersteigen. Je höher der Wert der Immobilie, desto höher der Steuersatz, maximal beträgt dieser jedoch 1,5%.

Solidaritätssteuer Spanien

Die Solidaritätssteuer ist am 31. Dezember in Kraft getreten und wirkt sich daher auf das diesjährige Vermögen in der Steuererklärung aus, die zwischen April und Juni 2023 abgegeben wird. Die neue Steuer wurde als Änderung in das Gesetz über die befristete Steuer für Banken und Energieunternehmen aufgenommen und wird auf Vermögenswerte von mehr als drei Millionen Euro erhoben: Finanz-, Immobilien- und Unternehmensvermögen, wobei im letzteren Fall bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen eine Befreiung möglich ist.

Die neue Steuer ist aufgrund ihres Zwecks, der Vermeidung der Steuerunterdrückung in manchen Gebietsautonomien, in ihrer Struktur und ihren Grenzen der an die spanischen Gebietsautonomien abgetretenen Vermögensteuer sehr ähnlich.

700.000 Euro sind von der Steuer befreit (minimo exento), zuzüglich eines Betrages von 300.000 Euro für die den Hauptwohnsitz des Steuerpflichtigen begründende Immobilie (exención para la vivienda habitual). Es findet darüber hinaus eine Begrenzung des Gesamtbetrags von Einkommens- und Vermögensteuer Anwendung, bei welcher die Summe der Einkommens- und Vermögenssteuerzahlung nicht mehr als 60 % der persönlichen Bemessungsgrundlage der Einkommenssteuer betragen darf. Sollte diese höher sein, so kann die persönliche Einkommensteuerzahlung reduziert werden, bis dieser Wert erreicht ist, wobei jedoch immer ein Minimum von 20 % gezahlt wird. Der als Vermögensteuer zu entrichtende Betrag kann bei der Solidaritätssteuer als Abzug berücksichtigt werden.

Die Regierungskoalition hat die neue Solidaritätssteuer in Spanien mit dem Ziel konzipiert, dass sich ihr möglichst wenige Steuerpflichtige entziehen können. Es sollen aber nur Nettovermögen von mehr als drei Millionen Euro besteuert werden, da sich dort der größte Teil des potenziellen Steuervolumens von fast 73 % dessen, was in der Vermögensteuer eingenommen werden könne, befände und durch die Vergünstigungen mancher Gebietsautonomien an Steuervolumen verloren gehe.

Ausgangspunkt für die Festsetzung des Betrages von 3 Millionen Euro seitens der Regierung waren die Zahlen der Steuerpflichtigen 2019. Die Anzahl der Steuerpflichtigen, die in diesem Jahr mit einem Vermögen von weniger als drei Millionen Euro vermögensteuerpflichtig waren, beläuft sich auf 170.443, das sind 92,8 % aller Betroffenen. Die damit verbundenen Einnahmen beliefen sich jedoch auf etwas mehr als 530 Millionen, was 43 % des Gesamtbetrags entspricht. Die verbleibenden 57 % (etwa 690 Millionen) wurden von etwa 13.000, also nur 7 % der Steuerzahler, entrichtet. Die Grenze der drei Millionen, wiederum mit den Daten von 2019, findet sich ebenso in der Gruppe der Steuerzahler, die in den Genuss der Vergünstigungen der Gebietsautonomien kämen: 92 % der Einnahmen, die infolgedessen verloren gingen (945 von 1.021 Millionen), entsprächen diesem Profil der nach der Regierung „Sehr Reichen“. D.h., die Vermögen mit mehr als drei Millionen, unabhängig davon, ob sie in 2019 Vermögensteuer gezahlt haben oder nicht, machten zusammen 72,9 % des Steuereinnahmepotenzials aus.

Da es sich bei der Vermögensteuer um eine an die Gebietsautonomien abgetretene Steuer handelt, gibt es, wie oben ausgeführt, in einigen dieser Gebietskörperschaften bestimmte Ermäßigungen oder niedrigere Sätze als den staatlichen Satz, so dass die Auswirkungen der Solidaritätssteuer in jeder Gebietsautonomie unterschiedlich sind. Bisher bestand beispielsweise in Andalusien und Madrid eine 100%ige Steuererleichterung. Daher fällt nun in diesen Gebietskörperschaften Steuer in voller Höhe an.

– Es soll sich um eine zeitlich begrenzte Steuer handeln, wie dies auch bei der Vermögensteuer der Fall sein sollte.

– Sie gilt für ein Vermögen von mehr als 3.700.000 Euro für in Spanien steuerlich ansässige Personen (3.000.000 für Nichtansässige), da eine Mindestfreigrenze von 700.000 Euro festgelegt ist und die ersten (restlichen) 3.000.000 Euro nicht besteuert werden.

– Das Nettovermögen errechnet sich aus der Differenz zwischen den Vermögenswerten und geldwerten Rechten (derechos de contenido económico – Rechten wirtschaftlichen Inhalts) sowie den persönlichen Lasten, Schulden und Verpflichtungen.

– Die steuerbefreiten Vermögenswerte und Rechte sind dieselben wie bei der Vermögensteuer.

– Die Steuersätze sind:

– ab 3.000.000,00 Euro und darüber 1,7%.

– ab 5.347.998,03 Euro und darüber 2,1%.

– ab 10.695.996,06 Euro und darüber 3,5%.

– Es gilt eine gemeinsame Obergrenze mit der Einkommens- und Vermögenssteuer (60 % der Bemessungsgrundlage der spanischen Einkommensteuer (IRPF), jedoch mit einer maximalen Ermäßigung von 80 % der Steuer (s.o.).

– Der Betrag der beglichenen Vermögensteuer kann von dieser Steuer abgezogen werden.

Das bedeutet, dass bei einem angenommenen unbelasteten Hauptwohnsitz im Wert von mehr als 300.000 Euro, keine Solidaritätssteuern auf die ersten vier Millionen Euro an Vermögen anfallen würden.

So zahlt eine Person mit 4.300.000 Euro, deren Hauptwohnsitz einen Wert von mehr als 300.000 Euro hat, 1,7 % der 300.000, die vier Millionen Euro übersteigen, also grds. 5.100 Euro, unter Abzug allerdings des im Rahmen der Vermögensteuer anfallenden Betrags. Dieser Betrag kann, je nach Einkommen, sofern dieses gering ist, um die gemeinsame Begrenzung der Einkommen- und Solidaritätssteuer gekürzt werden.
Die Regierung hat die Begrenzung vergleichbar mit der Begrenzung des Einkommensteuer- und Vermögensteuerbetrags beibehalten, d. h. wenn das Vermögen hoch, das Einkommen aber gering ist, kann die Solidaritätssteuer ermäßigt werden.

So bestimmt das Gesetz, dass die Summe der Einkommen- und Vermögensteuerzahlungen nicht mehr als 60 % der IRPF-Bemessungsgrundlage betragen darf; ist sie höher, kann die Steuerzahlung reduziert werden, bis dieser Wert erreicht ist, wobei jedoch immer ein Mindestbetrag von 20 % gezahlt wird. Dies wäre zum Beispiel der Fall, wenn eine Person mit einem zu versteuernden Einkommen von 100.000 Euro pro Jahr 90.000 Euro an Vermögensteuer und 30.000 Euro an Einkommensteuer zahlen müsste:

Die Gesamtsumme würde im Beispielsfall 120.000 Euro betragen, während die Obergrenze bei 60.000 Euro liegt (60 % des zu versteuernden Einkommens, das in diesem Fall 100.000 Euro betragen würde).

Wie ausgeführt, wirkt sich die Steuer insbesondere bei höherem Einkommen aus.
Ein Beispielsfall: Ein 50-Jähriger mit Arbeitseinkünften iHv. 150.000 Euro pro Jahr der mit seiner Familie in Madrid lebt, verfügt dort über Immobilien und sonstiges zu besteuerndes Vermögen von fünf Millionen Euro, wovon 500.000 Euro auf seinen Hauptwohnsitz entfallen.

Bislang zahlt er in der Gebietsautonomie keine Vermögensteuer, da diese in seiner Gemeinschaft zu 100 % subventioniert wird. Nunmehr mit der neuen Solidaritätssteuer, sind von den fünf Millionen Euro 700.000 Euro steuerfrei, ebenso wie 300.000 Euro für den Hauptwohnsitz. Die Bemessungsgrundlage beträgt vier Millionen, er würde also, unberücksichtigt möglicher sonstiger Steuerabzüge, 17.000 Euro zahlen.

In den Fällen, in denen bereits Vermögensteuer gezahlt wurde, ist diese Steuer abzugsfähig. Durch den Abzug der Vermögenssteuer von der Solidaritätssteuer auf große Vermögen wirkt sich die neue Solidaritätssteuer vor allem also in den Gebietskörperschaften aus, in denen die Vermögensteuer nicht subventioniert wird (derzeit 100 % in Madrid und Andalusien sowie 25 % in Galicien).

Fazit Solidaritätssteuer Spanien:

Die neue Steuer ist die Reaktion der Regierung auf Maßnahmen der Regionalregierungen Andalusiens und Galiziens, die dem Beispiel Madrids folgend, erhebliche Befreiungen in der Vermögensteuer gewähren. Diese zu neutralisieren ist die Absicht des Gesetzes, da sie in den autonomen Regionen, die keine Vergünstigungen geben, zu 100 % abzugsfähig sein wird, was auch die Doppelbesteuerung durch Solidaritätssteuer und Vermögensteuer vermeiden soll.

Unbeschadet dessen bleiben bei dieser Maßnahme Vermögende die in Gebietsautonomien mit Freibeträgen gemeldet sind und über ein Vermögen von weniger als drei Millionen Euro verfügen, unberücksichtigt. Deren Zahl wird auf knapp 5 % der steuerpflichtigen Vermögenden geschätzt.

Schließlich bleibt ebenso abzuwarten, ob diese Maßnahme tatsächlich nur vorübergehenden Charakter hat. Denn auch die Vermögensteuer wurde seinerzeit durch Königliches Dekret vom 16.9.2011 zur Krisenbewältigung zunächst für die Jahre 2011 und 2012 wieder eingeführt und schließlich „aus wirtschaftlichen Gründen“ auf die Folgejahre ausgeweitet.

Abgesehen von der Kontroverse über die Frage der möglichen Verfassungswidrigkeit, die mit dem Argument der doppelten Besteuerung desselben Sachverhalts, der Rückwirkung auf das Vermögen des Jahres 2022 und des Eingriffs in Zuständigkeiten begründet wird, bedarf es der Analyse der Auswirkung der Solidaritätssteuer in Spanien auf große Vermögen im Einzelfall, bevor übereilte Maßnahmen wie bspw. von Schenkungen oder anderen Konstrukten mit Holdingstrukturen u.ä. getroffen werden.

©2023 Verfasser Solidaritätssteuer Spanien: Frank Müller, Rechtsanwalt und Abogado (Rechtsanwalt Spanien), Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht