Die klassischen Vertragsmodelle für den Auslandseinsatz am Beispiel Entsendung Spanien – Versetzung und die neue Rom I Verordnung
Die hiesige Bearbeitung Entsendung Spanien – Versetzung greift die vertragsrechtliche Thematik am Beispiel der innereuropäischen Entsendung auf.
Entsendung Spanien Vertragsrecht
Das häufigste Vorgehen im Rahmen des Auslandseinsatzes eines Arbeitnehmers ist die, dass der Inlands-Arbeitsvertrag um eine vertragliche Nebenabrede zur Entsendung ergänzt wird. Der Arbeitgeber bleibt der Heimat-Arbeitgeber. Die Nebenabrede regelt die sich aufgrund des Auslandseinsatzes ergebenden Rechte und Pflichten. Auf das Vertragsverhältnis konnte bisher auch ohne Rechtswahl das Recht des Heimatlandes Anwendung finden.
Bei der Versetzung hingegen tritt ein anderer Arbeitgeber als Haupt-Arbeitgeber für die Dauer des Auslandseinsatzes an die Stelle des Heimat-Arbeitgebers.
Auch Mischformen zwischen Entsendung und Versetzung sind bekannt.
Bei der bloßen Vertragsergänzung um eine Entsendeabrede ist auf eine Befristung zu achten, da eine Teilkündigung lediglich der Entsendeabrede nicht möglich ist. Eine solche Befristung lediglich einzelner Vertragsbestandteile unterfällt in Deutschland nicht dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz – TzBfG), sondern ist einer Billigkeitskontrolle nach § 307 BGB zu unterziehen, bei der dann aber wiederum die Wertungen des TzBfG, insbesondere auch § 14 TzBfG, zum Tragen kommen (BAG v. 18.6.2008, 7 AZR 245/07).
Im Fall des Abschlusses eines neuen Vertrages, ist vor allem die Beziehung zwischen dem ursprünglichen und dem Lokalarbeitgeber, also die Aufteilung der Arbeitgeberfunktionen, aber auch die Gründe und Fristen für die Beendigung der Entsendung zu regeln.
Zu beachten insoweit ist nunmehr arbeitsrechtlich eine neue gesetzliche Regelung. Um das Übereinkommen für Vertragsverhältnisse (EVÜ) auf eine einheitliche und für die EU-Mitgliedsstaaten verbindliche Basis zu stellen und um auf dieser Weise die Anwendung der Rechtsordnung eines bestimmten Staats einheitlich festzulegen, haben sich im November 2007 das Europäische Parlament und der Rat auf einen Verordnungstext geeinigt. Der sogenannte „Rom I“ ist ab 17. Dezember 2009 in Kraft (Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, Kurzbezeichnung Rom I-Verordnung).
Die für das Individualarbeitsrecht entscheidenden Bestimmungen finden sich dort in Art. 8 und 9 Rom I.
Art. 8 Rom I lautet:
(1) Individuelle Arbeitsverträge unterliegen dem von den Parteien nach Artikel 3 gewählten Recht. Die Möglichkeit der Rechtswahl der Parteien darf jedoch nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch diejenigen Bestimmungen gewährt wird, von denen nach dem Recht, das nach den Absätzen 2, 3 und 4 mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre, nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf.
(2) Soweit das auf den Arbeitsvertrag anzuwendende Recht nicht durch Rechtswahl bestimmt ist, unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem oder andernfalls von dem aus der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Der Staat, in dem die Arbeit gewöhnlich verrichtet wird, ändert sich nicht, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend in einem anderen Staat verrichtet.
(3) Kann das anzuwendende Recht nicht nach Absatz 2 bestimmt werden, unterliegt der Vertrag dem Recht des Staates, in dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat.
(4) Ergibt sich aus der Gesamtheit der Umstände, dass der Vertrag eine engere Verbindung zu einem anderen als dem in Absatz 2 oder 3 bezeichneten Staat aufweist, ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden.
Art. 9 Rom I behandelt die Geltung von Eingriffsnormen:
(1) Eine Eingriffsnorm ist eine zwingende Vorschrift, deren Einhaltung als so entscheidend für die Wahrung der politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Organisation eines Staates angesehen wird, dass ihre Anwendung auf alle Sachverhalte, die in ihren Anwendungsbereich fallen, vorgeschrieben ist, ungeachtet des nach Maßgabe dieser Verordnung auf den Vertrag anzuwendenden Rechts.
(2) Diese Verordnung berührt nicht die Anwendung der Eingriffsnormen des angerufenen Gerichts.
(3) Den Eingriffsnormen des Staates, in dem die durch den Vertrag begründeten Verpflichtungen erfüllt werden sollen oder erfüllt worden sind, kann Wirkung verliehen werden, soweit diese Eingriffsnormen die Erfüllung des Vertrags unrechtmäßig werden lassen. Bei der Entscheidung, ob diesen Eingriffsnormen Wirkung zu verleihen ist, werden Art und Zweck dieser Normen sowie die Folgen berücksichtigt, die sich aus ihrer Anwendung oder Nichtanwendung ergeben würden.
Selbst eine Entsendung wird damit die Definition des Begriffes „vorübergehend“ der neuen Regelung regelmäßig kaum mehr umfassen können, so dass, bei einer Entsendung innerhalb der EU, z.B. von Deutschland nach Spanien, auch spanisches Arbeitsrecht Anwendung finden kann.
Daher müssen bei längerer Entsendungen arbeitsrechtlich in jedem Falle die lokalen, soweit anwendbar zwingenden, Tarifverträge und sonstigen arbeitsrechtlichen Regelungen berücksichtigt werden.
Gesetzliche Lage Spanien
In Spanien war bereits zuvor im Jahre 1999 (Ley 45/1999, de 29 de noviembre, sobre el desplazamiento de trabajadores en el marco de una prestación de servicios transnacional) die Richtlinie 96/71/EG zur Mitarbeiterentsendung nach Spanien in nationales Recht umgesetzt worden.
Ziel des Gesetzes war es, die verschiedenen in Spanien geltenden Rechtsvorschriften die sich auf diesen Bereich beziehen (das Zivilgesetzbuch, das Statut der Europäischen Union, die Gemeinschaftsvorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und den freien Dienstleistungsverkehr, das spanische Arbeitnehmergesetz, Tarifverträge, das spanische Ausländergesetz und das Übereinkommen von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht), im Hinblick auf das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu einen.
Mit dem Gesetz sollte gewährleistet werden, dass Arbeitnehmer, die von Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses vorübergehend nach Spanien entsandt werden, Anspruch auf die gleiche Behandlung haben wie spanische Mitarbeiter lokaler Arbeitgeber. Garantiert werden sollen die im spanischen Recht vorgesehenen Mindestarbeitsbedingungen zu Arbeitszeit, Mindestlohn, Nichtdiskriminierung von Zeitarbeitnehmern und Teilzeitbeschäftigten, Verhütung von Gefahren am Arbeitsplatz, Vorbeugung von Berufsrisiken usw.. Damit wurden der harte Kern der verbindlichen Bestimmungen der EU für den Mindestschutz der nach Spanien entsandten Arbeitnehmer festgelegt.
Wenn die Entsendung länger als 12 Monate dauert (oder 18 Monate, wenn der Arbeitgeber dem Gastland eine begründete Mitteilung macht), also eine langfristige Entsendung vorliegt, muss der Arbeitgeber seinem Personal alle obligatorischen Beschäftigungsbedingungen des Gastlandes garantieren, mit Ausnahme derjenigen, die sich auf die Beendigung des Arbeitsvertrags oder auf zusätzliche Beschäftigungsrenten beziehen.
Das Gesetz änderte weder die nationalen Steuervorschriften für entsandte Arbeitnehmer und für die Unternehmen, in denen sie beschäftigt sind, gelten, noch wurden Anpassungen im Sozialversicherungsrecht vorgenommen.
Um die Einhaltung des Gesetzes zu gewährleisten, beinhaltete das Gesetz aber die Verpflichtung der ausländischen Arbeitgeber, die Entsendung der spanischen Sozialversicherungsbehörde zu melden und die erforderlichen Unterlagen vorzulegen.
Entsendung Spanien Sozialversicherungsrecht
Sozialversicherungsrechtlich ist bei der Entsendung Spanien zu beachten, dass unter bestimmten Voraussetzungen der Mitarbeiter für einen gewissen Zeitraum im System des Ursprungslands verbleiben kann.
So bestimmt die EU-Verordnung 883/2004 in
Artikel 12:
(1) Eine Person, die in einem Mitgliedstaat für Rechnung eines Arbeitgebers, der gewöhnlich dort tätig ist, eine Beschäftigung ausübt und die von diesem Arbeitgeber in einen anderen Mitgliedstaat entsandt wird, um dort eine Arbeit für dessen Rechnung auszuführen, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit vierundzwanzig Monate nicht überschreitet und diese Person nicht eine andere Person ablöst.
Artikel 13, Abs 1a) bestimmt für Tätigkeiten in beiden Staaten:
(1) Eine Person, die gewöhnlich in zwei oder mehr Mitgliedstaaten eine Beschäftigung ausübt, unterliegt:
a) den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats, wenn sie dort einen wesentlichen Teil ihrer Tätigkeit ausübt.
Bei der Beantragung mittels des Formulars A1 müssen Beginn und Ende der Entsendung in das andere EU-Land angegeben werden. Die Höchstdauer, die der Arbeitgeber auf dem Formular angeben kann, beträgt 24 Monate.
Dauert die Entsendung länger als 24 Monate oder muss sie verlängert werden, kann der Arbeitgeber:
den Aussteller des A1-Formulars um eine Verlängerung ersuchen; diese wird nicht automatisch gewährt und unterliegt der gegenseitigen Vereinbarung zwischen dem Herkunftsland und dem Entsendungsland
bzw. dem Arbeitnehmer die Möglichkeit geben, sich bei der Sozialversicherung des Bestimmungslandes anzumelden.
Gemäß Artikel 89 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ist deren Durchführung in einer weiteren Verordnung zu regeln. Seit 1. Mai 2010 regelt die neue Durchführungsverordnung ((EG) Nr. 987/2009 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) Fragen verwaltungs- und verfahrenstechnischer Art sowie bestimmte Aspekte der gemeinschaftlichen Koordinierung, die spezifische Verfahren erfordern.
Die Durchführungsverordnung legt die Ausführungsbestimmungen für die einzelnen Leistungsbereiche der Verordnung fest.
Der wohl wichtigste Modernisierungsschub betrifft den elektronischen Datenaustausch – EESSI (Electronic Exchange of Social Security Information), der es nach der diesbezüglichen Übergangsfrist zum 30. April 2012 ermöglichen wird, den zur Durchführung der Verfahren erforderlichen Informationsaustausch, zwecks Vereinfachung der Verwaltung und Beschleunigung der Verfahren, elektronisch abzuwickeln.
Entsendung Spanien Steuerrecht
Steuerrechtlich sieht Artikel 93 des spanischen Einkommensteuergesetzes (Ley 35/2006, de 28 de noviembre, del Impuesto sobre la Renta de las Personas Físicas y de modificación parcial de las leyes de los Impuestos sobre Sociedades, sobre la Renta de no Residentes y sobre el Patrimonio) für ausländische Arbeitnehmer welche nach Spanien entsandt werden, ein interessantes Steuermodell (sogen. “Lex bzw. Ley Beckham“) vor.
Auch wenn Artikel 93 mit “Besondere Steuerregelung für Arbeitnehmer, Freiberufler, Unternehmer und Investoren, die in das spanische Hoheitsgebiet entsandt werden” überschrieben ist, so wird der Begriff des “Entsandten” nicht im zuvor beschriebenen sozialversicherungsrechtlichen Sinne verstanden.
Tatsächlich gewährt die Sonderregelung solchen Personen eine Vorzugsbehandlung, die ihren Wohnsitz in das spanische Hoheitsgebiet verlegen, um dort einen Arbeitsvertrag abzuschließen, eine Geschäftsführerstellung antreten, etc.. Mit dieser Regelung eines steuerlichen Anreizes wird versucht, qualifiziertes Personal in den spanischen Arbeitsmarkt einzugliedern.
Im Übrigen wird im Rahmen der Wohnsitzaufgabe im Entsendestaat und der Neubegründung eines Wohnsitzes nach Wegzug ins Ausland zur Bestimmung der einschlägigen Einkommensteuerpflicht auf den gewöhnlichen Aufenthalt und damit auf die sog. 183-Tage-Regelung zurückgegriffen.
Kontrolle spanischer Behörden
Die Inspección de Trabajo y Seguridad Social (Arbeits- und Sozialversicherungsaufsicht) kontrolliert die Erfüllung der Pflichten von Unternehmen, die eine Entsendung nach Spanien vornehmenen. Um die Einhaltung der dabei zu beachtenden Vorschriften sicherzustellen, können die zuständigen Behörden eine umfassende Prüfung sämtlicher sachbezogener Daten durchführen, die unter anderem den Ort der vorrangigen unternehmerischen Tätigkeit und die Art der erbrachten Dienstleistungen des entsandten Arbeitnehmers einschließt.
Wenn nach einer umfassenden Prüfung gemäß Artikel 8 des Gesetzes 45/1999 festgestellt wird, dass ein Unternehmen in missbräuchlicher oder betrügerischer Weise den Eindruck vermittelt, dass die Situation eines Arbeitnehmers in den Anwendungsbereich des vorliegenden Gesetzes fällt, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Anwendung des spanischen Arbeits- und Sozialversicherungsrecht, unbeschadet jedweder Haftungsansprüche, die er gegenüber dem Unternehmen geltend machen kann.
Das Vorstehende darf nicht dazu führen, dass für den betreffenden Arbeitnehmer weniger günstige Bedingungen gelten als für entsandte Arbeitnehmer.
In den Geltungsbereich des Entsendungsgesetzes fallende Arbeitgeber können von der Inspección de Trabajo y Seguridad Social vorgeladen werden, um die erforderlichen Nachweise dieses Gesetzes vorzulegen, einschließlich eines rechtsgültigen Nachweises der Unternehmensgründung.
Vorstehende Nachweise entheben Arbeitgeber nicht von ihrer Pflicht, folgende Unterlagen während der Entsendungzeit in der Betriebsstätte oder im digitalen Format vorweisen zu können:
- Arbeitsverträge oder Unterlagen gemäß Artikel 5 des königlichen Erlasses 1659/1998 vom 24. Juli, zur Durchführung von Artikel 8.5 des Gesetzes über Informationsrechte von Arbeitnehmern im Hinblick auf grundlegende Bestandteile des Arbeitsvertrags, wenn die Informationen, auf die sich dieser Artikel bezieht, nicht aus dem Arbeitsvertrag hervorgehen, und zwar für jeden Arbeitnehmer.
- Lohnabrechnungen und Quittungen der Lohnzahlungen jedes Arbeitnehmers.
- Durchgeführte Arbeitszeiterfassungen mit Angabe des Beginns, des Endes und der Dauer der täglichen Arbeitszeit.
- Arbeitsgenehmigung von Drittstaatsangehörigen nach der Gesetzgebung des Unternehmensstandorts.
Die Unterlagen, auf die die vorstehenden Absätze Bezug nehmen, sind ins Spanische oder in die offizielle Sprache der Region, in der die Dienstleistungen erbracht werden, zu übersetzen.
Gerichtliche Zuständigkeit
Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 96/71/EG finden die Entsenderichtlinien Anwendung “für Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, die im Rahmen der länderübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen Arbeitnehmer gemäß Absatz 3 in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden”.
Art. 6 der Entsenderichtlinie sieht eine eigene internationale Zuständigkeit der Gerichte im Tätigkeitsstaat vor und räumt damit Arbeitnehmern die Möglichkeit der arbeitsrechtlichen Klage im Ausland ein.
Zwar kann gem. Art. 23 EuGVVO mit einer Gerichtsstandsvereinbarung von den allgemeinen Gerichtsständen abgewichen werden. Dies gilt aber nur zugunsten des Arbeitnehmers. Eine den besonderen Gerichtsstand der internationalen Zuständigkeit derogierende Gerichtsstandsvereinbarung ist damit nicht möglich.
©2010 Verfasser Entsendung Spanien – Versetzung: Frank Müller, Rechtsanwalt und Abogado (Rechtsanwalt Spanien), Fachanwalt für Steuerrecht
Zum Thema “Arbeiten in Spanien”
Zum Thema Entsendung bei Montage und Bauarbeiten in Spanien“