Sozialversicherung Spanien

Sozialversicherung SpanienDer Beitrag Sozialversicherung Spanien beschreibt das dortige Sozialversicherungssystem und zeigt anhand eines Kostenvergleichs die Unterschiede in der Höhe der Beiträge und deren Umfang für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu Deutschland auf.

Entwicklung der Sozialversicherung in Spanien

Ausgangspunkt für die Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer war die Kommission für Sozialreformen (Comisión de Reformas Sociales (1883)), welche Verbesserungsfragen und das Wohlergehen der Arbeiterklasse untersuchte. Im Jahr 1900 wurde die erste Sozialversicherung in Spanien geschaffen, das Gesetz über Arbeitsunfälle (La Ley de Accidentes de Trabajo), 1908 wurde das Nationale Vorsorgeinstitut (Instituto Nacional de la Previsión) gegründet, in dem die Kassen zur Verwaltung der entstandenen Sozialversicherungen zusammengefasst wurden.

In der Folge führten die Schutzmechanismen zu einer Reihe von Sozialversicherungen, darunter die Arbeiterrentenversicherung (1919), die obligatorische Mutterschaftsversicherung (1923), die Zwangsarbeitslosenversicherung (1931), die Krankenversicherung (1942) und die obligatorische Alters- und Invalidenversicherung (SOVI) (1947). Der Schutz, den diese Versicherungen boten, erwies sich bald als unzureichend, was dazu führte, dass andere Schutzmechanismen entstanden, die sich in den Arbeitergenossenschaften (Mutualidades laborales) artikulierten, die von den Arbeitssektoren organisiert wurden und deren Leistungen den bereits bestehenden Schutz ergänzen sollten. Angesichts der Vielzahl der Mutualidades führte dieses Schutzsystem zu einer Diskriminierung unter der arbeitenden Bevölkerung, zu finanziellen Ungleichgewichten und erschwerte eine rationelle und effiziente Verwaltung erheblich.

1963 wurde das “Ley de Bases de la Seguridad Social” (Gesetz über die Grundlagen der sozialen Sicherheit) verabschiedet, dessen Hauptziel darin bestand, ein einheitliches und integriertes Modell des Sozialschutzes mit einer umlagefinanzierten Grundlage, öffentlicher Verwaltung und staatlicher Beteiligung an der Finanzierung einzuführen. Trotz dieser Definition von Grundsätzen, von denen viele im Allgemeinen Gesetz über die soziale Sicherheit von 1966, das am 1. Januar 1967 in Kraft trat, verankert wurden, blieben die alten Beitragssysteme (sistemas de cotización) bestehen, die weit von den Reallöhnen der Arbeitnehmer entfernt waren, es gab keine regelmäßigen Neubewertungen und die Tendenz zur Einheitlichkeit nahm keine Gestalt an, da weiterhin eine Vielzahl von sich überschneidenden Einrichtungen existierte.

Artikel 41 der spanischen Verfassung aus 1978 sieht vor, dass die Behörden ein öffentliches System der sozialen Sicherheit für alle Bürger unterhalten, das eine ausreichende soziale Unterstützung und Leistungen in Notlagen, insbesondere bei Arbeitslosigkeit, gewährleistet, und weist darauf hin, dass die Unterstützung und die ergänzenden Leistungen kostenlos sind.

Die erste große Reform der Sozialversicherung in Spanien erfolgte mit der Veröffentlichung des Königlichen Gesetzesdekrets 36/1978 vom 16. November, mit dem in Übereinstimmung mit den Pakten von Moncloa im Rahmen des Übergangs zur Demkratie, mit welchen ein System der institutionellen Beteiligung der Sozialpartner geschaffen wurde, das die Transparenz und die Rationalisierung des Systems der sozialen Sicherheit begünstigt, sowie die Einrichtung eines neuen Verwaltungssystems, das von folgenden Stellen getragen wird:

Das Nationale Institut für soziale Sicherheit, das die wirtschaftlichen Leistungen des Systems verwaltet.
Das Nationale Gesundheitsinstitut (Instituto Nacional de Salud) für Gesundheitsleistungen (diese Einrichtung wird später in Nationales Institut für Gesundheitsmanagement umbenannt).
Das Nationale Institut für Sozialdienste, das für die Verwaltung der Sozialdienste zuständig ist (später umbenannt in Institut für ältere Menschen und Sozialdienste).
Soziales Institut der Marine (Instituto Social de la Marina), für die Verwaltung von Seeleuten.
Die Allgemeine Sozialversicherungskasse (Tesorería General de la Seguridad Social) als einzige Kasse des Systems, die nach dem Grundsatz der finanziellen Solidarität handelt.

In den 80er Jahren wurde eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Schutzmaßnahmen zu verbessern und zu vervollkommnen, indem die Leistungen auf nicht erfasste Gruppen ausgedehnt wurden und das System der sozialen Sicherheit wirtschaftlich stabiler gemacht wurde. Zu diesen Maßnahmen gehörten die schrittweise Angleichung der Beitragsbemessungsgrundlagen an die Reallöhne, die Aufwertung der Renten entsprechend der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes (Inflationsindex) sowie die Verlängerung der für den Leistungsanspruch und die Rentenberechnung erforderlichen Zeiten, die Vereinfachung der Struktur der sozialen Sicherheit, der Beginn der Trennung der Finanzierungsfunktionen, so dass die beitragsabhängigen Leistungen durch die Sozialversicherungsbeiträge finanziert werden, während die beitragsunabhängigen Leistungen durch die allgemeine Erhöhung gedeckt werden. Dieser Prozess ermöglichte die schrittweise Verallgemeinerung des Gesundheitswesens.

In diesem Jahrzehnt wurde auch die IT-Abteilung der Sozialversicherung geschaffen, um die Tätigkeiten der IT- und Datenverarbeitungsdienste der verschiedenen Verwaltungsstellen der Sozialversicherung zu koordinieren und zu kontrollieren.

In den 90er Jahren gab es eine Reihe sozialer Veränderungen, die sich auf eine Vielzahl von Fragen auswirkten und das System der sozialen Sicherheit beeinflussten: Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt, größere Mobilität auf dem Arbeitsmarkt, die Eingliederung der Frauen in die Arbeitswelt usw., die eine Anpassung des Schutzes an die neuen Bedürfnisse erforderlich machten.

1995 wurde mit Unterstützung aller politischen und sozialen Kräfte der Pakt von Toledo unterzeichnet, der zu wichtigen Änderungen und zur Aufstellung eines Fahrplans führte, um die finanzielle Stabilität und die künftigen Leistungen der Sozialversicherung zu gewährleisten. Es wurde eine nicht ständige Kommission zur Überwachung und Bewertung der Vereinbarungen des Toledo-Pakts eingerichtet, die alle fünf Jahre zusammentritt und für die Überwachung des Rentensystems und die Erarbeitung von Empfehlungen für die Aufrechterhaltung und Verbesserung des Systems zuständig ist.

In den letzten Jahren hat sich die spanische Sozialversicherung an die neuen Technologien und die Einführung der telematischen Dienste angepasst, mit der Entstehung und Entwicklung ihrer Website und der elektronischen Zentrale sowie der ständigen Einbeziehung und Optimierung der Dienstleistungen über das Internet.

 

Sozialversicherungsbeiträge Spanien Kostenvergleich Deutschland

Daten Arbeitnehmer Simulation  
   
Alter 30 Jahre
Familienstand ledig
Kinder keine
Beruf Informatiker
Steuerklasse I
Bruttogehalt (monatlich) 4.200 EUR

Sozialversicherung Deutschland Anteile

% Dld AN * Zusammensetzung Betrag
     
 Bemess.grdl.   4.200,00
    Beitrag  
7,30% Krankenversicherung 333,92 €
9,30% Rentenversicherung 390,60 €
1,20% Arbeitslosenvers. 50,40 €
1,53% Pflegeversicherung 78,75 €
     
Sozialvers.beitrag (Summe AN) 853,67 €
     
     
% Dld ArbG  Zusammensetzung Betrag
     
 Bemess.grdl.   4.200,00
    Beitrag 
7,30% Krankenversicherung 333,92 €
9,30% Rentenversicherung 390,60 €
1,20% Arbeitslosenvers. 50,40 €
1,53% Pflegeversicherung 78,75 €
0,09% Insolvenzgeldumlage 3,78 €
     
Sozialvers.beitrag (Summe ArbG) 857,45 €

Sozialversicherung Spanien Anteile

Bemess.grdl. 4.200,00 € max. Bem.grdl. 4.139,40 €
    Beitrag
4,70% Grundbeitrag  194,55 €
0,10% Fortbildung 4,14 €
1,55% Arbeitslosenvers. 64,16 €
     
     
Sozialvers.beitrag (Summe AN)   262,85 €
     
     
% Spanien ArbG Zusammensetzung Betrag
     
Bemess.grdl. 4.200,00 € max. Bem.grdl. 4.139,40 €
    Beitrag
23,60% Grundbeitrag 976,90 €
5,50% Arbeitslosenvers. 227,67 €
0,20% Lohnausfallfond 8,28 €
0,60% Fortbildung 24,84 €
     
     
Sozialvers.beitrag (Summe ArbG)   1.237,68 €

AN= Arbeitnehmer, ArbG= Arbeitgeber

Die Sozialversicherungsbeiträge in Spanien sind mithin insgesamt niedriger als in Deutschland.

Der Arbeitgeberanteil ist allerdings in Spanien, zumindest bis zur maximalen Bemessungsgrundlage von derzeit 4.139,40 €, höher als in Deutschland.

Der Arbeitnehmeranteil ist in Spanien erheblich niedriger, relativiert sich aber auf Seiten des Arbeitnehmers durch grundsätzlich höhere Einkommensteuern und fehlende Freibeträge. Lediglich bei Inanspruchnahme steuerlicher Sonderregeln im Falle einer Entsendung und bei höherem Arbeitseinkommen ist die Gesamtbelastung der Steuern und Sozialversicherung in Spanien für den Arbeitnehmer niedriger als in Deutschland.

Eine Pflegeversicherung, die in Deutschland als eigenständiger Zweig der Sozialversicherung gilt, ist der Sozialversicherung in Spanien weder für gesetzlich noch privat Versicherte als verpflichtend bekannt.

Berufsgruppen Sozialversicherung Spanien

In den spanischen Tarifverträgen erfolgt eine Festlegung von Mindestgehältern, abhängig von der Einstufung der Mitarbeiter, die bei Abschluss des Arbeitsvertrages und dessen Anmeldung bei der Sozialversicherung zu beachten ist.

Die häufig im Arbeitsvertrag genannte Berufskategorie (categoría profesional)  bezieht sich auf die Ausbildung und die Fähigkeiten des Arbeitnehmers zur Ausführung der vorgesehenen Arbeit. Es handelt sich dabei um ein veraltetes Konzept, das die Einstufung von Arbeitsplätzen auf der Grundlage von Berufsabschlüssen (titulación) vorsah:

In der Vergangenheit wurden in Tarifverträgen sogenannte Berufskategorien festgelegt, um das Entgelt und die Sozialversicherungsbeiträge zu bestimmen. Dieses Konzept wird seit der Arbeitsrechtsreform 2012 gesetzlich nicht mehr für die Klassifizierung von Arbeitnehmern verwendet, da mit der Änderung der Tarifverträge das Konzept der “Berufsgruppe” (grupo profesional) eingeführt wurde.

Die Berufsgruppe ist ein umfassenderer Begriff, der sich auf die Ausübung der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers bezieht. Sie ist die Methode, die derzeit für die Klassifizierung von Arbeitsplätzen oder Berufen verwendet wird. Dabei werden mehrere Variablen berücksichtigt, wie z. B.: Titel, Inhalt der vom Arbeitnehmer auszuführenden Arbeit, Spezialisierungen, Verantwortlichkeiten und andere Funktionen.

Obwohl rechtlich nicht mehr existent, wird in einigen Tarifverträgen nach wie vor das Konzept der Berufskategorie verwendet, was zu Verwirrung führen kann.

Der wesentliche Unterschied zwischen Berufskategorie und Berufsgruppe liegt in der Tatsache, dass sich das erstere Konzept auf die Qualifikation der Person bezieht, die mit ihrer Ausbildung verbunden ist, während sich die Berufsgruppe auf die Aufgaben oder Funktionen bezieht, die im Rahmen der Tätigkeit auszuführen sind, und nicht auf die Eignung oder die Kompetenzen des Arbeitnehmers (Niveau der Ausbildung).

Die Beitragsgruppe, auf die sich die Sozialversicherung bezieht, um die vom Arbeitnehmer auszuübende Tätigkeit abzugrenzen, legt die Höchst- und Mindestbeitragsgrundlagen fest. Diese Grundlagen werden z. B. im Falle einer Entlassung oder bei der Festsetzung des Gehalts des Arbeitnehmers berücksichtigt.  Das Konzept der Beitragsgruppe und der Berufsgruppe ist also ähnlich und steht im Zusammenhang mit der Arbeit oder der Verantwortung, die der Arbeitnehmer ausüben soll.

Es gibt 11 Berufsgruppen:

    Gruppe 1: Ingenieure, Hochschulabsolventen und leitende Angestellte.

    Gruppe 2: Technische Ingenieure, Experten und qualifizierte Assistenten.

    Gruppe 3: Verwaltungs- und Werkstattleiter.

    Gruppe 4: Unqualifizierte Assistenten.

    Gruppe 5: Verwaltungsangestellte.

    Gruppe 6: Subalternes Personal.

    Gruppe 7: Verwaltungsassistenten.

    Gruppe 8: Erste und zweite Stufe

    Gruppe 9: dritte und Spezialisierte  

    Gruppe 10: Hilfsarbeiter.

    Gruppe 11: Arbeiter unter 18 Jahren.

Wenn ein Arbeitgeber früher bspw. einen Bauzeichner, der über einen Hochschulabschluss verfügte, einstellen wollte, erfolgte die Einstufung in der Kategorie “mit Hochschulabschluss” und nicht in der Kategorie “Bauzeichner”.

Dies ist nun aufgrund der Reform nicht mehr der Fall und leider noch nicht in der Bevölkerung angekommen, so dass Arbeitnehmer teilweise von dem Irrtum ausgehen, dass in einer höheren Beitragsgruppe die Leistungen der Sozialversicherung, insbesondere in der Rente in Spanien, niedriger wären.

Die Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Gruppe hängt allerdings ausschließlich von der Tätigkeit in dem Unternehmen ab, für das die Person eingestellt wurde, und von dem Maß an Verantwortung, das ihr übertragen wird.

Sozialversicherung und Scheinselbständigkeit

Insbesondere ausländische Unternehmen zwingen ihre Mitarbeiter häufig aus Unkenntnis vor den realen Kosten der Sozialversicherung und der Befürchtung der Begründung einer Betriebsstätte in die Scheinselbständigkeit in Spanien.
Wie in obigem Beispiel dargelegt, liegen bei einem Gehalt von 4.000,00 Euro/ Mt. die Beiträge der spanischen Sozialversicherung bei ca 1.300,00 Euro /Mt.. Im Falle einer Scheinselbständigkeit würde das Unternehmen damit 15.600,00 Euro/Jahr unterlassen, alleine an die Sozialversicherungsbehörde zu entrichten. Wenn dies bspw. auf 7 oder 8 Jahre hochgerechnet wird und dazu Zinsen und Sanktionen kommen, kann leicht ein 6-stelliger Betrag im Raum stehen. Dies wird kaum im Interesse des Unternehmens stehen und ist zumeist unbegründet.
Wir beraten laufend in solchen Mandaten und übernehmen die zwingenden Anmeldungen des deutschen Arbeitgebers in Spanien seit langen Jahren. Wir haben hunderte solcher Vertragsbeziehungen nach spanischem Arbeitsrecht für deutsche Unternehmen angemeldet, ohne dass diese über eine Betriebsstätte in Spanien verfügen müssten.

©2021 Verfasser Sozialversicherung Spanien: Frank Müller, Rechtsanwalt und Abogado (Rechtsanwalt Spanien), Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

ZUr Lohnfortzahlung, s. hier