Gemäß Artikel 212 des spanischen Kapitalgesellschaftsgesetzes (Ley de Sociedades de Capital, LSC) können sowohl natürliche als auch juristische Personen zu Geschäftsführern einer spanischen Gesellschaft bestellt werden. Voraussetzung der Ernennung zum Geschäftsführer einer spanischen GmbH oder einer spanischen Aktiengesellschaft ist es nicht etwa auch Gesellschafter zu sein. Im Falle, dass jedoch die Geschäftsführer- und Gesellschafterstellung gleichzeitig besteht, so kann dieser Sachverhalt sowohl im Hinblick auf Arbeitsrecht, aber auch im Sozialversicherungs- und Lohnsteuerrecht problematisch werden. Der Beitrag “Gesellschafter-Geschäftsführer Spanien” erläutert die damit zusammenhängenden Problematiken.
Im Allgemeinen gibt es für Gesellschafter oder Geschäftsführer bei der Aufnahme einer Tätigkeit im Unternehmen drei Möglichkeiten der Eingliederung in das spanische Sozialversicherungssystem:
das Allgemeine System (Régimen General), das Gleichgestellte Allgemeine System ((Régimen General Asimilado), ohne Arbeitslosigkeit oder Fogasa (Lohnausfallfond)) und das Sondersystem für Selbstständige (Régimen Especial de los trabajadores por cuenta propia o autónomos (RETA)).
Wie aus dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz hervorgeht, hängt die korrekte Zuordnung zu der einen oder anderen Regelung von drei Variablen ab: dem Prozentsatz der Beteiligung am Gesellschaftskapital, der Tatsache, ob Geschäftsführerfunktionen ausgeübt werden oder nicht, und der Tatsache, ob es sich um einen Geschäftsführer oder nur um einen im Unternehmen Angestellten mit einer Gesellschaftsbeteiligung handelt:
In die allgemeine Regelung werden sowohl die Gesellschafter als auch die Geschäftsführer mit einer Beteiligung von weniger als 33 % des Gesellschaftskapitals einbezogen, sofern sie keine Führungsaufgaben wahrnehmen.
Die gleichgestellte Regelung schließt diejenigen Gesellschafter als auch Geschäftsführer ein, die tatsächlich Managementfunktionen ausüben und deren Beteiligung an dem Unternehmen weniger als ein Viertel des Kapitals beträgt.
Die Sonderregelung für Selbstständige umfasst auch die übrigen Arbeitnehmer oder Geschäftsführer, die nicht unter die beiden vorgenannten Rubriken fallen. Unter diese Sonderregelung fallen auch diejenigen Arbeitnehmer, deren direkte oder indirekte Beteiligung, einschließlich der Beteiligung von Familienmitgliedern bis zum zweiten Grad, mehr als fünfzig Prozent des Gesellschaftskapitals beträgt.
Im Umkehrschluss können tatsächliche Geschäftsführer die keine Gesellschafter sind nicht als Selbständige angemeldet werden, da dies wiederum eine entsprechende Beteiligung voraussetzt.
Gesellschafter-Geschäftsführer Spanien
Entscheidend in solchen Fällen der Personeneinheit von Gesellschafter – also Anteilseigner – und der Geschäftsführung des spanischen Unternehmens, ist die Frage der tatsächlichen Kontrolle des Gesellschafter-Geschäftsführers über das Unternehmen und ob Funktionen innerhalb dieses Unternehmens wahrgenommen werden oder nicht.
Eine Verpflichtung sich als selbständiger Gesellschafter-Geschäftsführer (autónomo societario, im Folgenden “Selbständiger Geschäftsführer” oder “Gesellschafter-Geschäftsführer Spanien”) anzumelden, liegt unter folgenden Voraussetzungen vor:
Es besteht die tatsächliche Kontrolle über das Unternehmen, was der Fall ist, wenn
– ein Gesellschafter alleine oder mit Anteilen des Ehegatten und Blutsverwandten, Schwägerschaft oder aufgrund Adoption bis zum zweiten Grad mindestens 50 % der Anteile oder Beteiligungen an dem Unternehmen hält, sofern der Gesellschafter mit diesen Anteilseignern zusammenlebt, bzw.
– mindestens 33 % des Gesellschaftskapitals des Unternehmens gehalten werden, bzw.
– mindestens 25 % des Kapitals gehalten und Verwaltungsfunktionen ausgeübt werden.
Es besteht keine Verpflichtung sich selbständig zu melden wenn keine Aufgaben für das Unternehmen wahrgenommen werden. Reine Kapitalgeber, die keine Geschäftsführer sind und nicht im Unternehmen arbeiten, sind mithin nicht verpflichtet, sich im Rahmen eines Systems bei der Sozialversicherung anzumelden.
Im Übrigen ist zu beachten, dass die Sozialversicherungsbeörde davon ausgeht, dass alle Geschäftsführer in ihrer Position aktiv sind, d.h. dass sie die Funktionen der Leitung und der Geschäftsführung ausüben, so dass in einem solchen Fall der Geschäftsführer seinerseits ggf. nachweisen muss, dass er diese Funktionen nicht ausübt und sich auf eine passive Geschäftsführung beschränkt, bei der er lediglich die Gesellschafterversammlung einberuft und den Jahresabschluss unterzeichnet.
Vereinfacht ausgedrückt sind also die Gesellschafter mit tatsächlicher Kontrolle, die sich als Selbstständige anmelden müssen:
- die Gesellschafter mit tatsächlicher Kontrolle, die gleichzeitig Geschäftsführer des Unternehmens sind (unabhängig davon, ob die Position entgeltlich oder unentgeltlich ist), sofern diese Position aktiv ausgeübt wird, indem Management- und Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden.
Wenn der Gesellschafter, der die tatsächliche Kontrolle ausübt, Geschäftsführer der Gesellschaft ist, aber nur passive Tätigkeiten ausübt (die sich auf formale Funktionen beschränken, während eine andere Person die Geschäfte führt), wird er behördlicherseits nur dann als Selbständiger Geschäftsführer der Gesellschaft behandelt, wenn er auch in der Gesellschaft arbeitet und dafür eine Vergütung erhält.
Wenn der Gesellschafter, der die tatsächliche Kontrolle ausübt, kein Geschäftsführer ist, muss er nur dann RETA-Beiträge zahlen, wenn er auch für das Unternehmen arbeitet und dafür eine Vergütung erhält.
Wenn der Gesellschafter, der die tatsächliche Kontrolle ausübt, weder Geschäftsführer ist noch für das Unternehmen arbeitet, muss er keine Sozialversicherungsbeiträge entrichten.
RETA, Régimen Especial de Trabajadores Autónomos, ist die Sondereinstufung der Sozialversicherung für Selbständige, in der alle Personen registriert werden müssen, die gewöhnlich, persönlich und direkt eine wirtschaftliche Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausüben, sofern die Ausübung dieser Tätigkeit nicht Gegenstand eines Arbeitsvertrags mit einem Unternehmen ist.
Einer der Aspekte, der die meisten Zweifel bei solchen Selbstständigen aufwirft, ist die Frage der Vergütung, mithin ob sie ein Gehalt vom Unternehmen erhalten (rendimientos del trabajo – Einkommen aus Arbeit) oder ob sie dem Unternehmen eine Rechnung stellen müssen (rendimientos de actividades económicas – Einkommen aus wirtschaftlichen Tätigkeiten).
Es muss beim Gesellschafter-Geschäftsführer Spanien unterschieden werden zwischen:
– Gesellschaftern die als Freiberufler für das Unternehmen tätig sind (d. h. ihre Tätigkeit kann unter den zweiten Abschnitt der Steuersätze für Gewerbesteuern fallen (Sección Segunda de las Tarifas del Impuesto sobre Actividades Económicas)), das Unternehmen dieselbe (berufliche) Tätigkeit wie diese selbst ausübt und die verpflichtet sind, sich als Selbständige anzumelden, müssen eine Rechnung ausstellen.
– In allen anderen Fällen erhalten sie eine Gehaltsabrechnung von ihrem Unternehmen.
Rechnungen, die entsprechend von dem Selbständigen ausgestellt werden, können mehrwertsteuerpflichtig sein oder auch nicht, je nachdem, ob die Tätigkeit unabhängig ausgeübt wird oder nicht.
Wird die Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wird auf die dem Unternehmen ausgestellten Rechnungen keine Mehrwertsteuer erhoben. Wird die Tätigkeit unabhängig vom Unternehmen ausgeübt, wird auf den Rechnungen Mehrwertsteuer ausgewiesen.
Zur selbständigen Ausübung einer beruflichen Tätigkeit müssen drei Bedingungen erfüllt sein:
- die Tätigkeit unterliegt nicht den organisatorischen Kriterien des Unternehmens. Mit anderen Worten, der Selbständige kann seine Tätigkeit unabhängig davon organisieren, wie die übrigen Mitarbeiter des Unternehmens arbeiten.
- Es erfolgt eine beträchtliche Vergütung, die von den Ergebnissen der Tätigkeit abhängt. Es besteht also kein festes Gehalt, sondern die Vergütung richtet sich nach der Arbeit und den Ergebnissen.
- Gegenüber Dritten haftet der unternehmerisch Selbstständige unmittelbar. Das bedeutet, dass der selbständige Unternehmer in gewisser Weise für alle Schäden haftet, die durch seine Arbeit verursacht werden.
Gesellschafter-Geschäftsführer Spanien – Vergütung des Geschäftsführers
Das geltende Kapitalgesellschaftsgesetz widmet einen Artikel ausschließlich der Vergütung von Geschäftsführern, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass das Amt des Geschäftsführers grds. unentgeltlich ist, sofern die Satzung der Gesellschaft nichts anderes vorsieht.
Falls die Satzung eine Vergütung vorsieht, müssen das genaue Konzept und die Form der Vergütung geklärt oder ausdrücklich festgelegt werden, wie z. B.: eine feste Vergütung, Sitzungsgelder, ein Prozentsatz, eine Ergebnisbeteiligung, eine variable Vergütung mit allgemeinen Referenzindikatoren oder -parametern, die an die Entwicklung der Gesellschaft gebunden sind, Ansparsysteme, usw., usw..
Mit anderen Worten, jede Vergütung, die einen genauen Betrag widerspiegelt und dargelegt werden kann, ist möglich, andernfalls kann die Eintragung der Satzung ins Handelsregister verweigert werden.
Der Vergütungshöchstbetrag wird von der Hauptversammlung der Gesellschaft genehmigt und bleibt in Kraft, bis eine neue Änderung von demselben Organ genehmigt wird. Bei mehreren Geschäftsführern wird die Aufteilung der Vergütung unter den einzelnen Mitglieder der Unternehmensleitung von diesen selbst einvernehmlich festgelegt, sofern die Hauptversammlung nichts anderes bestimmt.
Die Vergütung der Mitglieder der Unternehmensleitung soll dabei in jedem Fall dem gesunden Menschenverstand entsprechen, angemessen sein, im allgemeinen Interesse des Unternehmens liegen, der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens jederzeit Rechnung tragen und sich an den Marktstandards vergleichbarer Unternehmen orientieren. Dabei sind die Rentabilität und die Nachhaltigkeit des Unternehmens zu berücksichtigen und die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um eine übermäßige Übernahme von Risiken und die Belohnung ungünstiger Ergebnisse zu vermeiden, und es ist besonders darauf zu achten, dass die Auszahlung nicht zu einem besonderen Ungleichgewicht mit dem Vermögen des Unternehmens führt oder den Mehrheitsaktionär zum Nachteil der anderen Aktionäre begünstigt.
Das heißt, wenn eine Vergütung des Geschäftsführeramts erfolgt, dann muss in der Satzung bestimmt werden, dass entweder eine Vergütung mit einem Fixbetrag, den in jedem Jahr die Hauptversammlung bestimmt, erfolgt oder aber ein variables System festgelegt wird, welches dann exakt zu erläutern ist.
Gemäß Art. 217.3 LSC ist der Höchstbetrag der jährlichen Vergütung von der Hauptversammlung zu genehmigen und gültig, solange er nicht von dieser selbst geändert wird. Sowohl die ursprüngliche Festlegung als auch etwaige Änderungen müssen jedoch nicht unbedingt vor Beginn des Geschäftsjahres erfolgen, für das sie gelten sollen. Es entspricht auch dem Zweck der Vorschrift, wenn diese Genehmigung, wie im vorliegenden Fall, erst spät im Geschäftsjahr erfolgt, da es darauf ankommt, dass die Hauptversammlung in diesem Jahr ihre Genehmigung oder Zustimmung erteilt.
Dies lässt gemäß Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 13. Mai 2021 die Möglichkeit offen, die Vergütung der Geschäftsführer noch nach ihrer Auszahlung zu genehmigen, soweit dies innerhalb desselben Geschäftsjahres geschieht.
Gesellschafter-Geschäftsführer Spanien – Sozialversicherung
Was die Beiträge der Sozialversicherung betrifft, so waren die Selbständigen Gesellschafter jahrelang im RETA benachteiligt, da sie nicht in den Genuss der Boni kamen, auf welche “normale” Selbständige (autónomos) Anspruch hatten, so zB die Monatspauschale von 60 Euro (so genannte tarifa plana). Seit der Einführung des Pauschalsatzes und bis zum Jahr 2020 verweigerte die Sozialversicherung die nach ihren Kriterien vorgesehenen Leistungen den Selbstständigen Gesellschaftern. Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofs hat die Generaldirektion der Sozialversicherung (Tesorería General de la Seguridad Social) angekündigt, ihre Kriterien ab 2021 zu ändern. Daher haben auch diese Selbstständige das Recht, einen Pauschalsatz zu beantragen.
Dies sind 80 % der Mindestbeitragsgrundlage, die für 2020 auf 1.214,10 Euro festgelegt wurde. Nach dem ersten Jahr der Tätigkeit werden die festgelegten Boni angewandt, d. h. 50 % für die folgenden sechs Monate und 30 % in den letzten sechs Monaten des zweiten Jahres.
Abgesehen von der Pauschale, ergibt sich aufgrund der Mindestbeitragsgrundlage (base mínima de cotización) von 1.214,10 Euro ein Beitrag von 364,22 Euro, der um mehr als 78 Euro über dem Mindestbeitrag für gewöhnliche Selbstständige liegt. Die maximale Bemessungsgrundlage bei der Sozialversicherung ist auf 4.070,10 Euro gedeckelt.
Die Beitragsbasis für Selbstständige ist in den letzten Jahren weiter angestiegen. Der Beitragssatz für Selbstständige Gesellschafter war bis zur Verabschiedung des Gesetzes über dringende Reformen für Selbständige (Ley de Reformas Urgentes del Trabajo Autónomo) Ende 2017 an die Erhöhung des interprofessionellen Mindestlohns (Salario Mínimo Interprofesional) gekoppelt, bis er an den allgemeinen Staatshaushalt gebunden wurde.
©2021 Verfasser Gesellschafter-Geschäftsführer Spanien: Frank Müller, Rechtsanwalt, Abogado, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht