Ebenso wie die deutsche Gesellschaft mit beschränkter Haftung bietet die spanische Sociedad Limitada als Kapitalgesellschaft im Unterschied zu Personenunternehmen den Vorteil des Ausschlusses der privaten Haftung durch den GmbH-Gesellschafter, wie, bei Einhaltung derfüge gesetzlichen Pflichten, auch der Haftung ihrer Geschäftsführer. In Ausnahmefällen ist jedoch eine Durchgriffshaftung in Spanien wie auch in Deutschland möglich. Einer der häufigen Fälle dieser Durchgriffshaftung soll mit der vorliegenden Bearbeitung „Unterkapitalisierung Spanien” dargestellt werden.
Unterkapitalisierung Deutschland
Ob und unter welchen Voraussetzungen nach deutschem Recht ggf. ein Haftungsdurchgriff aufgrund einer Unterkapitalisierung einer GmbH vorliegt, ist in der Literatur – nicht zuletzt seit der Gesetzesänderung durch das MoMiG und Einführung der Unternehmergesellschaft (UG) als Sonderform der GmbH – sehr umstritten. Auch der BGH hat bislang zu keiner einheitlichen und gefestigten Rechtsprechung gefunden.
Einigkeit besteht lediglich insofern, als dass für den Fall einer Unterkapitalisierung, eine Gesellschaft mit unzureichendem Eigenkapital ausgestattet ist. Woran gemessen das Eigenkapital „unzureichend“ sein muss, wird wiederum unterschiedlich gehandhabt. Herangezogen werden hierfür beispielsweise Aspekte wie Gesellschaftszweck oder Gesellschaftsumfang.
Im Umkehrschluss könnte dies bedeuten, dass eine Haftungsprivilegierung gemäß § 13 Abs. 2 GmbHG nur zur Anwendung kommen kann, wenn eine „angemessene“ Mindestkapitalisierung vorhanden ist.
Wann dies der Fall ist, ist jedoch weder durch gesetzliche Vorschriften noch durch gefestigte Rechtsprechung bis dato dargelegt und definiert worden:
§ 5 Abs. 1 GmbHG schreibt insofern lediglich vor, dass eine Gesellschaft mit einem Mindeststammkapital ausgestattet werden muss. Was darüber hinaus an finanziellen Mitteln zum Erhalt des Geschäftsbetriebs aufzubringen ist, wird indes gerade nicht festgelegt. Eine ausschließliche Orientierung an der Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften bei der Frage des Haftungsdurchgriffs ist daher nicht überzeugend.
Auch die Rechtsprechung des BGH lässt bisher offen, unter welchen konkreten Voraussetzungen ein Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter einer GmbH möglich ist.
Zusätzlich verschärft wird die Problematik dadurch, dass nach der Rechtsprechung des BGH das Bejahen einer Unterkapitalisierung nicht automatisch zu einer Durchgriffshaftung der Gesellschafter aufgrund sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB führt, wie der BGH schon mit Urteil vom 04.05.1977, VIII ZR 298/75, feststellte. Erforderlich ist vielmehr eine am konkreten Einzelfall gemessene Prüfung.
Darüber hinaus unterscheidet die Literatur zwischen den Fallgruppen der materiellen und der nominellen Unterkapitalisierung.
Die materielle Unterkapitalisierung liegt beim Fehlen jeglicher finanziellen Mittel vor.
Es kann insofern weiter unterschieden werden, wann die Unterkapitalisierung der GmbH auftritt: Ist dies bereits bei Gründung der Fall, so spricht man von einer anfänglichen Unterkapitalisierung. Ist dies hingegen erst nach Geschäftsaufnahme der Fall, so liegt eine nachträgliche Unterkapitalisierung vor.
Darüber hinaus kann auch hinsichtlich der Evidenz der Unterkapitalisierung zwischen der einfachen und der qualifizierten Unterkapitalisierung unterschieden werden. Als Abgrenzungskriterium kann insofern die Offenkundigkeit der unzureichenden Versorgung mit finanziellen Mitteln herangezogen werden. So liegt eine qualifizierte Unterkapitalisierung vor, wenn die mangelnde Ausstattung mit finanziellen Mitteln eindeutig und für „Insider“ klar erkennbar ist.
Eine nominelle Unterkapitalisierung wird das Stammkapital einer GmbH zwar nicht durch das Eigenkapital gedeckt, jedoch steht hierzu Fremdkapital in Form von Geschäftsdarlehen zur Verfügung. Die Frage der Gesellschafterhaftung stellt sich aufgrund der Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln in diesem Fall nicht.
Unterkapitalisierung Spanien
In Spanien stellt die Unterkapitalisierung einen Grund für die Auflösung einer Handelsgesellschaft dann vor, wenn ihr Nettovermögen aufgrund von Verlusten auf weniger als die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft gesunken ist.
Eine Haftung für Schulden entsteht nach spanischem Recht, wenn eine im Zustand der Auflösung befindliche Gesellschaft ihren Geschäftsbetrieb weiterführt. Diese gesetzlich zwingenden Gründe für eine Auflösung sind in Artikel 363 LSC (Kapitalgesellschaftsgesetz Spanien) geregelt.
Dort heißt es unter „1. e) bei Verlusten, die das Nettovermögen auf weniger als die Hälfte des Stammkapitals verringern, es sei denn, dass dieses in ausreichendem Maße erhöht oder herabgesetzt wird, und vorausgesetzt, dass nicht eine Insolvenzerklärung zu beantragen ist“.
Die Geschäftsführer der Gesellschaft haften gesamtschuldnerisch für die nach Eintritt dieses Grundes entstandenen Schulden, sofern sie nicht innerhalb von zwei Monaten eine Hauptversammlung einberufen, um den Auflösungsbeschluss zu fassen. Ebenso, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten ab dem Datum der Versammlung einen Antrag auf Konkurs oder gegebenenfalls auf gerichtliche Auflösung gestellt haben.
Was nun unter Nettovermögen im Sinne der Haftung für Schulden zu verstehen ist und ob Gesellschafterdarlehen aus- oder eingeschlossen sind, wurde durch das Urteil STS 215/2020 vom 1. Juni 2020 des spanischen Obersten Gerichtshofs im Jahr 2020 geklärt. Der Gerichtshof verweist in seinem Urteil 215/2020 vom 1. Juni 2020 auf den og. Wortlaut von Artikel 363.1 e) LSC, nach dem eine Gesellschaft grds. aufzulösen ist, wenn ihr Nettovermögen weniger als die Hälfte ihres Gesellschaftskapitals beträgt. Dies ist definiert als der Überschuss der Vermögenswerte der Gesellschaft nach Abzug aller Verbindlichkeiten. Es handelt sich um den Teil, der den Gesellschaftern zusteht, nachdem die Vermögenswerte der Gesellschaft verwertet und die Passiva beglichen worden sind.
Die Heilung des Nettovermögens insoweit kann nach spanischem Recht erfolgen:
Mittels einer Kapitalerhöhung,
durch eine Kapitalherabsetzung,
durch eine Kapitalerhöhung und -herabsetzung (sogen. “Akkordeonoperation”),
durch Einlagen der Gesellschafter oder Aktionäre und
durch Gesellschafterdarlehen
die dann zu berücksichtigen sind, sofern es sich um partizipative Darlehen handelt. Sie sind eine Art von Darlehen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie buchhalterisch Teil des Eigenkapitals und nicht der Verbindlichkeiten des Unternehmens sind. Sie werden von den Gesellschaftern zur Finanzierung des Unternehmens gewährt. Es werden die Rückzahlung des Kapitals und ein notwendigerweise variabler, an die Leistung des Unternehmens gebundener Zinssatz vereinbart. Somit sind die Gesellschafter an der Entwicklung des Unternehmens beteiligt. Unbeschadet des Vorstehenden kann daneben auch ein fester Zinssatz vereinbart werden.
(Nur) partizipative Darlehen und Einlagen der Gesellschafter helfen einem Unternehmen den gesetzlichen Auflösungsgrund zu überwinden. Beteiligungsdarlehen und die Einlagen der Gesellschafter sind Teil des Eigenkapitals. Das liegt daran, dass es sich um eine Eigenfinanzierung des Unternehmens handelt und nicht um ein Kreditrecht. Sie erhöhen das Nettovermögen unter Ausschluss der Passiva.Die Gesellschafter haben diese Einlagen geleistet, um das Unternehmen mit Liquidität zu versorgen, ohne sie wie ein „normales“ Darlehen zurückzahlen zu müssen. Wenn es sich nicht um Beteiligungsdarlehen handelt, gelten Gesellschafterdarlehen als Verbindlichkeiten und werden nicht zum Nettovermögen gerechnet.
Beteiligungsdarlehen sind in Artikel 20 des Königlichen Gesetzesdekrets 7/1996 vom 7. Juni über steuerliche Sofortmaßnahmen geregelt. Ihre Merkmale sind folgende:
Das Kriterium zur Bestimmung der Entwicklung des Unternehmens kann von den Parteien frei vereinbart werden.
Für den Fall einer vorzeitigen Rückzahlung können die Parteien eine Strafklausel vereinbaren. Eine vorzeitige Rückzahlung ist nur möglich, wenn sie durch eine Erhöhung des Eigenkapitals in gleicher Höhe kompensiert wird und sich nicht aus der Neubewertung der Vermögenswerte ergibt. In diesem Fall ist eine Kapitalerhöhung durch Verrechnung von Forderungen erforderlich.
Partizipative Darlehen werden als nachrangige Darlehen eingestuft und im Krisenfall nach den gewöhnlichen Gläubigern berücksichtigt.
Für die Zwecke der Kapitalherabsetzung und der Liquidation von Unternehmen werden diese als Eigenkapital betrachtet.
Damit sind Beteiligungsdarlehen ein adäquates Mittel zur Beseitigung der Unterkapitalisierung in Spanien und damit einer Durchgriffshaftung.
Allerdings ist bzgl. der Zinsen die bei der Rückzahlung des Beteiligungsdarlehens anfallen, mit dem aktuellen Körperschaftsteuergesetz zu beachten, dass diese gemäß Artikel 15 als Eigenkapitalverzinsung zu verstehen sind und daher keine – bei der Körperschaftsteuer – abzugsfähige Ausgabe für die das Darlehen erhaltende Gesellschaft darstellen.
Auf der anderen Seite sind die Zinsen, die das kreditgebende Unternehmen erhält, aber nach Artikel 21 des neuen Gesetzes, zwecks Vermeidung der Doppelbesteuerung steuerfrei gestellt, sofern der Prozentsatz der direkten oder indirekten Beteiligung am Grund- oder Stammkapital des Unternehmens mindestens 5 % beträgt oder der Anschaffungswert der Beteiligung höher als 5 % ist.
Dies bedeutet dass 25 % des Zinsbetrages bei der Gesellschaft nicht als Kosten im Rahmen der Körperschaftsteuer abzugsfähig sind.
Diese Regelung gilt bei gewöhnlichen Darlehen nicht. Gewöhnliche Darlehen beseitigen aber gesellschaftsrechtlich nicht den Sachverhalt der Unterkapitalisierung. Wenn die Situation der Unterkapitalisierung beseitigt werden soll, so wird die Zinszahlung infolge der Situation dass an sich Kapital eingelegt werden müsste, quasi wie eine verschleierte Dividendenausschüttung behandelt.
©2020 Verfasser Unterkapitalisierung Spanien: Frank Müller, Rechtsanwalt und Abogado (Rechtsanwalt Spanien), Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht