Ziel des am 27. Juli 2021 durch das Ministerium für Wirtschaft und digitale Transformation vorgestellten und zwischenzeitlich verabschiedeten Gesetzes für Start-Ups sind gemäß Artikel 1 der Vorschrift, die „Gründung von Unternehmen sowie die Förderung deren Wachstums, sowohl durch die Verbesserung von Rechtsvorschriften als auch der Beseitigung von Hindernissen bei wirtschaftlichen Aktivitäten und mittels finanzieller Unterstützung das Unternehmenswachstum zu steigern“.
Aufgrund der immer größeren Bedeutung internationaler Mobilität erleichtert dieses Gesetz, mit der Absicht junge Talente anzulocken, den Zugang zur steuerlichen Sonderregelung für Berufstätige, die in das spanische Hoheitsgebiet zuziehen (Lex Beckham im Volksmund). Der Beitrag “Beckham Selbständige” erläutert die Regelung insbesondere für Freiberufler.
Für den Zugang zu dieser fakultativen Regelung werden die Steuerzeiträume, in denen der Steuerpflichtige nicht in Spanien steuerlich ansässig war, von bislang 10 auf 5 Jahre verkürzt.
Mit der Neuregelung ist es nicht mehr erforderlich, den Zuzug nach Spanien mit einer wirtschaftlichen Motivation des Arbeitgebers zu begründen (z. B. Markterforschung, Auf- oder Ausbau der bestehenden Handelsbeziehungen, etc.). Eine Entsendung ist daher nicht mehr Voraussetzung.
Arbeitnehmer können also auch aus privaten Gründen zuziehen und von der Sonderregelung profitieren, indem sie bspw. „remote“ vom „home-office“ aus arbeiten.
Auch für Geschäftsführer einer Gesellschaft verbessert sich der Zugang zur Beckhamregelung, denn diese können nun unbeschadet der Höhe ihrer Kapitalbeteiligung, die zuvor auf 25 % beschränkt war, grds. das Spezialregime nutzen, sofern es sich nicht um Holdings handelt. Denn der Geschäftsführer darf keine Beteiligung an einer solchen Gesellschaft halten, die dazu führt, dass sie gemäß den Bestimmungen des Artikels 18 des Gesetzes 27/2014 vom 27. November über die Körperschaftsteuer als verbundene Gesellschaft betrachtet wird.
Neuregelung Beckham Selbständige
Die Neuregelung eröffnet den steuerlichen Sonderstatus nun unter bestimmten Voraussetzungen auch für Selbstständige, die nach Spanien ziehen, um dort eine „unternehmerische Tätigkeit“ auszuüben.
Voraussetzung den Beckhamstatus für Selbständige beantragen zu können ist allerdings, dass deren Tätigkeit einen innovativen Charakter und besonderes wirtschaftliches Interesse für Spanien begründen.
Hochqualifizierte Fachkräfte, die Dienstleistungen für „Startups“ oder Tätigkeiten in den Bereichen Bildung, Forschung oder Entwicklung erbringen, können von der Regelung profitieren, sofern mindestens 40 % ihres Einkommens aus solchen Tätigkeiten stammen.
Die Gesetzgebung schließt mithin Fälle von Selbständigen die keine Dienstleistungen für qualifizierte Startups erbringen oder nicht im Bildungs- oder F&E-Bereich (Forschung und experimentelle Entwicklung) tätig sind, ausdrücklich aus.
Gesellschaftsgründung Beckham
Eine erhebliche Änderung betrifft die der Aufhebung der Beteiligungsschwelle an Gesellschaften. Aber auch wenn diese für Selbständige den Anschein zu erwecken vermag die Tür für einen Antrag auf das Beckhamregime zu öffnen, so können insoweit erhebliche steuerliche Risiken erwachsen. Denn die Umsetzung einer guten Geschäftsidee ist nicht ausreichend. Vielmehr müsste eine solche Gesellschaft über eigene personelle Mittel und eine eigene organisatorische Struktur unabhängig von Ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer verfügen, um die Dienstleistungen im Rahmen ihrer Tätigkeit erbringen zu können. Sie darf daher keine höchstpersönliche Tätigkeit des Gesellschafters ausüben, bei der dessen direkte und persönliche Mitwirkung unverzichtbar für die Erbringung der Dienstleistungen ist, die ihren Unternehmensgegenstand ausmachen (siehe bspw. Urteile des Höchsten Gerichts Madrid vom 26.10.2022, 3. und 22.11.2023 im Fall Rubius).
Zu beachten ist, dass sowohl nach der Altregelung, wie auch der Neuregelung die Person, die von dem Beckham-Gesetz profitieren möchte, keine Einkünfte erzielen darf, die als solche einer Betriebsstätte in Spanien qualifiziert werden.
Beckham Selbständige – Betriebsstätte
Es wird gemäß dem spanischen Einkommensteuergesetz für beschränkt Steuerpflichtige (Art. 13.1.a LIRNR) davon ausgegangen, dass eine natürliche Person oder eine juristische Person in Spanien über eine Betriebsstätte tätig ist, wenn:
- sie in Spanien, in jeglicher Form und auf kontinuierlicher oder regelmäßiger Basis, über Einrichtungen oder Arbeitsplätze jeglicher Art verfügt, an denen ganz oder teilweise ihre Tätigkeit ausgeübt wird, oder
- sie in Spanien durch einen bevollmächtigten Vertreter handelt, der im Namen und für Rechnung der nicht ansässigen Gesellschaft Verträge abschließt, sofern diese Befugnisse regelmäßig ausgeübt werden.
Konkret gelten als Betriebsstätten unter anderem die Leitungsbüros, Niederlassungen, Büros, Fabriken, Werkstätten, Lagerhäuser, Geschäfte oder andere Einrichtungen, sowie Minen, Öl- oder Gasbohrstellen, Steinbrüche, landwirtschaftliche, forstwirtschaftliche oder Viehzuchtbetriebe oder andere Orte der Rohstoffgewinnung, sowie Bau-, Installations- oder Montageprojekte, deren Dauer mehr als sechs Monate überschreitet.
Allerdings ist die Definition der Betriebsstätte in dem entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) zwischen Spanien und dem jeweiligen Land zu beachten. Diese kann für bestimmte Fälle eine nach nationalem Recht vorliegende Betriebsstätte ausdrücklich von der Qualifizierung als solche ausschließen, so zum Beispiel für Warenlager. Auch ist nach der rein nationalen spanischen Definition des Art. 13 LIRNR die Betriebsstätte durch Arbeitsplätze in Spanien erfüllt, während das DBA in seiner Definition den weiten nationalen Betriebsstättenbegriff erheblich einschränkt und z. B. rein vorbereitende oder Hilfstätigkeiten im anderen Land keine Betriebsstätte begründen, solange vor Ort keine Person mit Vollmacht tätig ist.
Die Qualifizierung einer Betriebsstätte ist umso weiter die internationalen Geschäftsbeziehungen wachsen, zunehmend mit Unsicherheiten behaftet. Urteile und Publikationen zur Betriebsstättenproblematik füllen ganze Bibliotheken. Die Steuerbehörden passen Ihre Entscheidungen laufend an die ständig neuen rechtlichen und formalen Konstrukte zur Vermeidung von Betriebbsstätten an, um in ihrem Verwaltungsbereich Margen zu besteuern, die an ausländische Unternehmen übertragen werden.
Fazit Beckham Selbständige:
Die Verbesserung der Bedingungen des so genannten „Ley Beckham“ fördert in jedem Falle die Zuwanderung hochqualifizierter ausländischer Arbeitskräfte mit hohem Einkommen, verwehrt aber mit Ausnahme weniger spezieller Fälle nach wie vor Selbständigen den Zugang zu dieser Regelung.
©2023 Verfasser Beckham Selbständige: Frank Müller, Rechtsanwalt, Abogado, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht