Begriffe, Ursprünge und Prinzipien des spanischen Verwaltungsrechts
Das Verwaltungsrecht in Spanien bildet einen Teilbereich des öffentlichen Rechts.
Es regelt die Rechtsbeziehung zwischen Staat und Bürgern im Allgemeinen sowie im konkreteren Sinne das Verhältnis zwischen der Verwaltung und den von ihrem Handeln betroffenen Personen. Es dient als rechtliches Instrumentarium, mit dem die öffentliche Gewalt ihre Bewertung menschlichen Handelns normativ zum Ausdruck bringt und dieses, soweit erforderlich, einer rechtlichen Ordnung und Regulierung unterwirft.
Nicht alle Beziehungen zwischen Staat und Bürgern fallen unter das Verwaltungsrecht
Der Staat handelt nicht immer isoliert, seine Handlungen können sich mit denen anderer Gewalten, wie etwa der Judikative, überschneiden. Dies zeigt sich exemplarisch bei polizeilichen Verfahren, soweit diese durch Polizeiorgane durchgeführt werden, die der Exekutive zugeordnet sind. Ebenso werden auch bestimmte Regierungsakte regelmäßig nicht dem Regelungsbereich des Verwaltungsrechts zugerechnet. Ein klassisches Beispiel bildet hierbei die präsidentielle Begnadigung, die ein Strafverfahren beenden kann. Solche Konstellationen veranschaulichen den fortwirkenden, teilweise monarchisch geprägten Charakter bestimmter Exekutivbefugnisse in Spanien.
Der Charakter der öffentlichen Aufgabe
Die rechtlichen Erscheinungsformen öffentlicher Dienstleistungen sind dem Verwaltungsrecht in seiner Gesamtheit zuzuordnen. Die Vielzahl der Tätigkeiten, welche öffentliche Institutionen zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben entfalten, erfordert eine dynamische Rechtsdisziplin, da sie menschliches Handeln von unterschiedlicher Komplexität und Aktualität regelt.
Beispiele:
· die Vollstreckung eines Bußgeldbescheides wegen eines Verkehrsverstoßes,
· die Erteilung einer Baugenehmigung oder eines Abrissbescheids,
· die Festsetzung von Säumniszuschlägen wegen verspäteter Steuerzahlung.
Diese Beispiele verdeutlichen den typischen Anwendungsbereich des Verwaltungsrechts, das aufgrund seiner Breite als interdisziplinär charakterisiert wird. Die Verwaltungsdogmatik – verstanden als systematischer Kriterienkatalog zur Lösung verwaltungsrechtlicher Fragestellungen – greift dabei auf vielfältige sachbezogene Kenntnisse zurück, die in Gesetzen, Verwaltungsakten und Verfahren der öffentlichen Verwaltung Berücksichtigung finden.
Ein wesentlicher Vorläufer des Verwaltungsrechts ist das römische Recht, das vielfach als universelle Quelle des Gemeinrechts gilt. Besonders hervorzuheben ist hierbei das Institut des “iustitium”, das die Möglichkeit eröffnete, die geltende Rechtsordnung im Interesse des Fortbestands der “res publica” vorübergehend außer Kraft zu setzen.
Diese Maßnahme erlaubte die Konzentration der Macht zur Durchführung außergewöhnlicher Maßnahmen im öffentlichen Interesse. Daraus entwickelte sich eine politische Theorie, wonach dem Souverän das Recht zukommt, in Ausnahmesituationen derartige Befugnisse auszuüben. Staatsrechtlich folgt hieraus die Annahme, dass eine zur Selbstbehauptung befähigte Staatsgewalt auch außerhalb von Krisenzeiten zur ordnenden Gestaltung des staatlichen Handelns legitimiert sein kann, wobei die Ausübung solcher Kompetenzen notwendigerweise an die bindenden Vorgaben des Rechtsstaatsprinzips und damit an die Wahrung der Legalität geknüpft bleibt.
Das Legalitätsprinzip
Gerade das Legalitätsprinzip – die Möglichkeit, staatliches Handeln rechtlich zu begrenzen und zu steuern – stellt einen historisch kollektiven Fortschritt dar. Es besagt, dass öffentliche Akte nicht auf Willkür beruhen dürfen, sondern stets an gesetzlich vorgegebenen Wertmaßstäben ausgerichtet sein müssen.
Im Rechtsstaat dürfen Verwaltungsakte nur in den gesetzlich vorgesehenen Fällen und Formen ergehen. In Spanien haben die Grundsätze der Verwaltung Verfassungsrang: Effizienz, Hierarchie, Dezentralisierung und Koordination – stets im Einklang mit den konkret vorgegebenen rechtlichen Werten.
Auch Zweckmäßigkeit, Angemessenheit und Nutzen eines Verwaltungsakts müssen gesetzlich begründet sein. In vielen Bereichen gilt zudem der Gesetzesvorbehalt. Dies führt nicht selten zu gerichtlichen Kontroversen, etwa wenn Verwaltungsakte normativen Charakter aufweisen.
Daher ist im Verwaltungsrecht besonders wichtig, die Rangordnung der Rechtsquellen zu wahren. Die berühmte Kelsensche Normenpyramide beginnt mit der Verfassung an oberster Stelle und setzt sich absteigend über Gesetze und deren gerichtliche Kontrolle bis hin zu untergeordneten Verwaltungsvorschriften wie kommunalen Satzungen fort.
Verwaltungsrecht Spanien – der Verwaltungsakt
Die öffentliche Verwaltung tritt – durch Tun oder Unterlassen – in allen Fällen in Erscheinung, in denen bürokratisches Handeln erforderlich ist, damit staatliche Aufgaben erfüllt werden können. Diese einheitliche Ausdrucksform nennt man Verwaltungsakt.
Es gibt viele Arten:
· Genehmigungsakte,
· Enteignungsakte,
· Konzessionsakte,
· sowie normative Akte, z. B. Verordnungen.
Verwaltungsrecht Spanien – das Verwaltungsverfahren
Unmittelbare Folge des Legalitätsprinzips ist die Notwendigkeit eines geregelten Verfahrens zur Erstellung von Verwaltungsakten. Durch das Verwaltungsverfahrensgesetz wird ein rechtlicher Rahmen geschaffen, der die Objektivität staatlichen Handelns gewährleisten soll.
In Spanien existiert ein klar strukturiertes System von Verwaltungs- und Verwaltungsverfahrensgesetzen, das die Organisation der öffentlichen Verwaltung (“Administración Pública”) und das Verfahren bei Verwaltungsakten und -entscheidungen regelt.
Je nach Art des Verfahrens können auch Privatpersonen beteiligt sein, insbesondere dann, wenn der Verwaltungsakt unmittelbare Auswirkungen auf ihre Rechte oder Interessen hat.
Das Gesetz regelt unter anderem:
· Fristen,
· formelle und materielle Voraussetzungen,
· sowie die Möglichkeit, dass Betroffene sich beteiligen oder Rechtsmittel in Spanien einlegen, um das Verfahren und dessen Ergebnis zu beeinflussen.
Zentrale Verwaltungs- und Verwaltungsverfahrensgesetze in Spanien
1. Ley 39/2015, de 1 de octubre, del Procedimiento Administrativo Común de las Administraciones Públicas (LPACAP– Gesetz über das Gemeinsame Verwaltungsverfahren der öffentlichen Verwaltungen)
ist das Kernstück des spanischen Verwaltungsverfahrensrechts. Es regelt, wie Verwaltungsakte erlassen, mitgeteilt, angefochten oder vollstreckt werden. Das Gesetz gilt für alle öffentlichen Verwaltungen: Staat, Regionen (Comunidades Autónomas), Provinzen und Gemeinden zu Fragen von:
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Antragstellung und elektronische Verwaltung
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Fristen und Verjährung
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Verwaltungsakte und ihre Wirksamkeit
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Rechtsmittel im Verwaltungsverfahren (Recurso de alzada, reposición etc.)
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Stillstand und Schweigen der Verwaltung (silencio administrativo)
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Verantwortlichkeit der Beamten BOE – Ley 39/2015
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2. Ley 40/2015, de 1 de octubre, de Régimen Jurídico del Sector Público (LRJSP – Gesetz über die Rechtsordnung des öffentlichen Sektors)
Das Gesetz regelt die Organisation und Funktionsweise der öffentlichen Verwaltung und behandelt:
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Aufbau und Zuständigkeiten von Behörden
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Verhältnis zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen
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Prinzipien der Verwaltungstätigkeit (Rechtmäßigkeit, Transparenz, Effizienz)
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Öffentlich-rechtliche Haftung des Staates
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Zusammenarbeit zwischen Staat und autonomen Regionen
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Gründung und Kontrolle öffentlicher Unternehmen
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3. Ley 29/1998, de 13 de julio, Reguladora de la Jurisdicción Contencioso-Administrativa (LJCA – Gesetz über die verwaltungsgerichtliche Zuständigkeit)
Das Gesetz regelt den gerichtlichen Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte und bestimmt Verfahren, Zuständigkeiten, Fristen und Arten von Klagen vor dem Verwaltungsgericht, ähnlich der deutschen VwGO:
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Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte
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Verpflichtungsklagen (Untätigkeit)
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Schadensersatzklagen gegen die Verwaltung
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Eilverfahren (medidas cautelares)
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4. Ley 58/2003, de 17 de diciembre, General Tributaria (LGT – Allgemeines Steuergesetz Spaniens)
Das Gesetz regelt das steuerliche Verwaltungsverfahren: Erhebung, Kontrolle, Sanktionen, Einsprüche und gilt parallel zur Ley 39/2015, wenn es um steuerliche Verwaltungsakte geht.
Weitrere relevante Regelungen im Verwaltungsrecht Spanien
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Ley 9/2017, de Contratos del Sector Público (Öffentliche Auftragsvergabe)
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Ley 3/2015, de la Función Pública (Beamtenrecht)
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Ley Orgánica 3/1980, del Consejo de Estado (Beratungsorgan der Verwaltung)
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Real Decreto Legislativo 5/2015, Estatuto Básico del Empleado Público (EBEP- Rechte und Pflichten der Beamten)
Rechtsschutz gegen Verwaltungsakte
Nach Abschluss eines Verwaltungsverfahrens in Spanien steht den Bürgern – wie in allen liberalen Demokratien – der Rechtsweg offen, um gerichtlich gegen Verwaltungsakte vorzugehen.
Wir sind seit langen Jahren im Verwaltungsrecht in Spanien hauptsächlich in Steuerangelegenheiten und auch im Baurecht tätig.
©2022 Verwaltungsrecht Spanien: Frank Müller, Rechtsanwalt und Abogado (Rechtsanwalt Spanien), Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

