In Deutschland ist der Gerichtsvollzieher insbesondere für die Zwangsvollstreckung (Pfändung, Zustellung, Sachpfändung usw.) zuständig und auch einem Laien ein Begriff. Er oder sie ist eine Amtsperson des deutschen Justizdienstes, Organ der Rechtspflege und handelt auf Grundlage von Vollstreckungstiteln, wie zum Beispiel rechtskräftigen Urteilen, Vollstreckungsbescheiden oder anderen vollstreckbaren Urkunden. Der Beitrag Gerichtsvollzieher Spanien erläutert zur Wahrnehmung der Funktionen in Spanien.
Die Aufgaben des deutschen Gerichtsvollziehers bestehen im Wesentlichen darin, Forderungen durch Zwangsvollstreckungsmaßnahmen durchzusetzen, indem Vermögenswerte des Schuldners gepfändet oder übergeben werden.
Ohne Gerichtsvollzieher könnten rechtskräftig festgestellte Ansprüche nicht umgesetzt werden, sodass sie der Funktionsfähigkeit des Rechtsstaats dienen.
In Spanien existiert die Person des Gerichtsvollziehers als Solche nicht, d.h. kein direktes Pendant zum deutschen Gerichtsvollzieher, allerdings vergleichbare Funktionen, die je nach Verfahrensart unterschiedlichen Personen oder Institutionen zugeordnet sind.
Diese Aufgaben werden von „Gerichtsvollzugsbeamten“ wahrgenommen.
Zu beachten in diesem Zusammenhang und aus deutscher Sicht schwer nachvollziehbar, ist, dass in Spanien rechtskräftige Urteile oder andere Titel nicht direkt vollstreckbar sind.
Es ist vielmehr eine gesonderte Vollstreckungsklage („demanda ejecutiva“) erforderlich und beim zuständigen Gericht einzureichen. Das Gericht prüft dann die Voraussetzungen und erlässt den Beschluss zur Vollstreckung, die aber nicht von einem Gerichtsvollzieher sondern durch das Gericht zugestellt und durchgeführt wird.
Der „Letrado de la Administración de Justicia“ (Justizbeamte), früher „Secretario Judicial“, also Gerichtssekretär leitet das Zwangsvollstreckungsverfahren organisatorisch, erteilt Vollstreckungsaufträge, Pfändungsbeschlüsse, Anordnungen zur Zustellung etc. und entscheidet über Maßnahmen wie Kontopfändung, Lohnpfändung und Beschlagnahmen von Vermögen.
Der „Agente Judicial“, ist der Gerichtsbedienstete, der die tatsächliche Durchführung übernimmt, also Schriftstücke zustellt, Pfändungen, Beschlagnahmen oder Räumungen im Auftrag des Gerichts vornimmt und unter der Aufsicht des „Letrados de la Justicia“ arbeitet. Er ist vergleichbar mit einem „gerichtlichen Vollstreckungsgehilfen“.
Der „Procurador de los Tribunales“ (Prozessagent), der infolgedessen, dass spanische Rechtsanwälte mit keinem Gericht unmittelbar kommunizieren dürfen, zwingend in vielen Gerichtsverfahren als Bevollmächtigter der Partei zu beauftragen ist, koordiniert für die Partei den Ablauf des Vollstreckungsverfahrens, übermittelt Anträge und reicht Schriftsätze (des Rechtsanwalts) beim Gericht ein. Der Prozessagent hat keine hoheitliche Funktion. Er beantragt bei Gericht, bestimmte Maßnahmen auszuführen.
Sofern physische Zwangsmaßnahmen erforderlich sind (z. B. Räumung, Wegnahme, Beschlagnahme), kann der Gerichtsvollstreckungsbeamte (Agente Judicial) von der Polizei begleitet werden.
Die Vollstreckung richtet sich in Spanien nach der „Ley de Enjuiciamiento Civil“ ((LEC) – Zivilprozessordnung), insbesondere Art. 517–747 LEC („Ejecución forzosa“ = Zwangsvollstreckung). Zustellungen sind in Art. 149 ff. LEC, Vollstreckungsmaßnahmen in Art. 551 ff. LEC geregelt. Aus diesen Artikeln folgt, dass die Zwangsvollstreckung durch das Gericht selbst („Juzgado de Primera Instancia“) erfolgt, nicht durch einen eigenständigen Gerichtsvollzieher wie in Deutschland.
Beispiel: Wenn ein Titel für eine Kontopfändung oder eine Räumung nach einer Klage in Spanien vorliegt ist das Vorgehen, sehr vereinfacht dargestellt:
- Der Gläubiger beantragt (über seinen Anwalt/Procurador) beim zuständigen Gericht die Vollstreckung.
- Der “Letrado de la Administración de Justicia” erlässt den Pfändungsbeschluss.
- Die Bank oder der Arbeitgeber oder im Falle der Räumungsklage der Mieter, wird direkt vom Gericht kontaktiert.
- Wenn eine Sachpfändung oder Räumung erforderlich ist, führt ein Agente Judicial die Maßnahme vor Ort durch, bei Räumungen zumeist mit Polizeibegleitung und dem Sozialdienst.
Fazit Gerichtsvollzieher Spanien
Die Figur des unabhängigen Gerichtsvollziehers wie Deutschland existiert in Spanien nicht. Die Zwangsvollstreckung ist gerichtlich organisiert, durchgeführt vom Letrado de la Administración de Justicia und ausgeführt durch Gerichtsbedienstete (Agentes Judiciales), ggf. unterstützt durch Polizei.
©2022 Verfasser Gerichtsvollzieher Spanien: Frank Müller, Rechtsanwalt und Abogado (Rechtsanwalt Spanien), Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
